Diplom-Feldherr in vier Semestern

An der Uni Potsdam kann man ab sofort Militärsoziologie studieren. Dass dabei Lehrkräfte der Bundeswehr unterrichten, findet der Dekan völlig in Ordnung. Kritische Studenten rufen zum Protest.

In Potsdam ist sie jetzt ihr eigener Forschungsgegenstand: Bundeswehrlehrer unterrichten in Militärsoziologie und -geschichte Bild: AP

Die Universität Potsdam hat einen neuen Studiengang: Heute um 16 Uhr ist die feierliche Eröffnung des Fachs "Military studies - Militärgeschichte/Militärsoziologie". Vier Semester lang beschäftigen sich die Studierenden dort mit Militär, Krieg und organisierter Gewalt. Träger des Studiengangs ist die Universität Potsdam zusammen mit zwei Instituten der Bundeswehr: dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt und dem Sozialwissenschaftlichen Institut (SWI). Genau diese Kooperation stößt auf Kritik - unter dem Titel "Bundeswehr raus aus der Uni" rufen Studierende zum Protest auf.

Bernhard Kroener, Dekan der Philosophischen Fakultät und Professor für Militärgeschichte, sieht in der einmaligen Kooperation nur Vorteile: Bei der Bundeswehr gebe es "eine ausreichende Zahl von Lehrenden mit den entsprechenden Kompetenzen". Neben Angestellten der Universität unterrichten in dem neuen Studiengang auch Beschäftigte der Bundeswehr, die auch allein von der Bundeswehr bezahlt werden. Diese Ausfinanzierung durch das Militär finden wir grundsätzlich falsch", sagt AStA-Sprecher Tamás Blénessy. Es sei immer "kritisch, wenn die Bundeswehr versucht, ins Zivilleben einzudringen".

Kroener nennt diese Kritik einen "pawlowschen Reflex". Die Bundeswehr selbst sei nicht präsent an der Hochschule, sondern ein paar Mitarbeiter, die dort Seminare anbieten. Bei den Lehrveranstaltungen des Studiengangs geht es etwa um die "Grundlagen der Militärgeschichte" oder "Militärsoziologie". Den Fachkurs "Die Bundeswehr als Instrument deutscher Außenpolitik" hält zum Beispiel SWI-Mitarbeiter Gerd Portugall.

Als Literatur empfiehlt Portugall das vom Verteidigungsministerium herausgegebene "Weißbuch 2006", ein Buch eines ehemaligen SWI-Mitarbeiter und einen Sammelband mit Berichten über Auslandseinsätze, "dargestellt von militärischen Führern, die in unmittelbarer Verantwortung vor Ort standen", wie es im Verlagsprogramm heißt.

Kritische Studierende fragen in einem im Internet veröffentlichten offenen Brief, "inwiefern im Zuge der Kooperation mit militärischen Einrichtungen eine freie und kritische Wissenschaft möglich sein kann". Die Befürchtung: Bei Seminaren wie dem von Portugall käme grundsätzliche Kritik an den Einsätzen zu kurz.

"Zunächst einmal: Niemand ist verpflichtet, an der Veranstaltung teilzunehmen", sagt Portugall zur taz. Und die Literatur diene dazu, zur Vorbereitung alle auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Auf dieser Basis würden dann in der Veranstaltung Pro und Contra diskutiert. Und er kenne schlichtweg kein bundeswehrkritisches Fachbuch, das für den Einstieg geeignet sei.

Ob er kein Problem darin sehe, dass die wissenschaftliche Forschung und Lehre über die Bundeswehr von der Bundeswehr selbst mit ausgerichtet wird? Portugalls Antwort: "Die besten US-Politikwissenschaftler waren selbst Politiker, soll man die ausschließen? Das würde ja auch bedeuten, dass Professoren sich mit nicht Hochschulpolitik befassen dürfen." Die kritischen Studierenden verweisen dagegen auf den Jahresbericht 2006 des SWI. Darin heißt es: "In diesem Rahmen ist die Forschungsplanung des Instituts nicht frei, sondern orientiert sich überwiegend am Erkenntnis- und Unterstützungsbedarf des Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundeswehr."

Die Kritiker rufen dazu auf, die Eröffnung um 16 Uhr im neuen Palais der Universität, Haus 11 zu besuchen. Dekan Kroener findet das gut: "Wir sind mit den 15 Studierenden, die jetzt anfangen, so ein kleiner Kreis. Wenn da noch welche dazukommen, dann können die auch gleich ihre kritischen Fragen loswerden."

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