Forschungsinstitute vs. Universität: Attacken auf die heilige Kuh

Forschungsinstitute sollen ebenso wie Unis Promotionen vergeben können - das fordern zumindest die Institute. Wissenschaftler warnen, dass Hochschulen gute Forscher verlieren könnten.

Von komfortablen Forschungsbedingungen wie beim Max-Planck-Institut können viele Universitäten nur träumen. Bild: dpa

Die Sonne fällt schräg durch alte Kastanien und malt Muster in den gediegenen Innenhof. Durch Glaswände schaut man auf kleine, weiß gestrichene Einzelbüros mit hellen Holzfußböden, die Rechner haben Flachbildschirme. Eine junge Frau mit Schirmmütze beugt sich über ihre tausend Zettel. Wie an einer Uni -mit ihren meist tristen Fluren und strengen Bürobudgets - wirkt das hier nicht. Kein Wunder: Wir sind an einem Forschungsinstitut, das nicht zu einer Universität gehört.

Immer mehr DoktorandInnen promovieren an Instituten, die nicht an einer Hochschule angesiedelt sind, sondern zur Max-Planck-Gesellschaft, Leibniz- oder Helmholtz-Gemeinschaft gehören. Die Zahl der DoktorandInnen der Helmholtz-Gemeinschaft stieg allein im letzten Jahr von 3.600 auf aktuell 3.800. Die Wissenschaftslandschaft befindet sich im Umbruch. Galten früher Universitäten als Hort von Gelehrsamkeit, ist diese Exklusivität heute passé.

Mittlerweile ist auch das alleinige Promotionsrecht der Universitäten bedroht. "Dieses von den Fakultäten ausgeübte Recht war und ist das Herzstück der Universität", meint Wolfgang Frühwald, Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung. Er wendet sich entschieden gegen die sich in letzter Zeit häufenden Versuche von außeruniversitären Einrichtungen, das Promotionsrecht zu erwerben.

Bisher müssen diese mit den Universitäten kooperieren, weil nur diese den Doktortitel vergeben. "Die Universitäten können sich nicht nur auf althergebrachte Privilegien berufen", sagt nun etwa Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, "sondern müssen sich internationalen Herausforderungen stellen." Die Präsidenten anderer Einrichtungen wie beispielsweise der Leibniz-Gemeinschaft möchten den Doktortitel gerne selbst verleihen.

Das Promotionsrecht ist aus gutem Grund die heilige Kuh der Universitäten. Wer den Doktortitel vergeben darf, hat die Macht über den wissenschaftlichen Nachwuchs. Noch ist das ein starker Anreiz für gute Forscher, den Kontakt zur Universität zu halten. Verlieren die Universitäten diese Exklusivität, wandern noch mehr Nachwuchsakademiker an die außeruniversitäre Forschung ab - und die Unis versinken in Drittklassigkeit, so die Befürchtung der Kritiker.

Für DoktorandInnen bietet eine Stelle an einem außeruniversitären Forschungsinstitut viele Vorteile. "Man hat ständig Kontakt zu anderen Doktoranden, die an ähnlichen Themen arbeiten", erzählt Katrin Solhdju, 28, die bis zum Januar eine Doktorandenstelle beim Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte innehatte. "Und man trifft die wichtigen Leute des Fachbereichs direkt vor Ort." Dazu kommt der Service. Die benötigten Bücher und Zeitschriftenartikel beispielsweise werden von institutseigenen BibliothekarInnen aus aller Welt besorgt und direkt ins Büro geliefert. Lehrverpflichtungen gibt es dagegen nicht.

Katrin Solhdju findet das aber nicht nur positiv. "Das ist so ein elitäres Elfenbeintürmchen, in dem man da lebt", kritisiert sie. "Nicht zu unterrichten bedeutet auch, dass man null Routine kriegt. Dadurch wird es schwieriger, an die Uni zurückzukehren." In der Trennung von der Lehre sieht sie die Gefahr, dass die Forschung sich komplett von ihrer Umwelt abkoppelt.

In den meisten Bundesländern liegt das Promotionsrecht zwar nach wie vor allein bei den Unis. Aber die Länderhochschulgesetze von Bremen und Sachsen-Anhalt beispielsweise erlauben schon jetzt, dass auch Fachhochschulen den Doktortitel verleihen dürfen - ein günstiges Einfallstor auch für die Lobbyarbeit von außeruniversitären Forschungsinstituten.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) pocht dagegen darauf, dass die Einheit von Forschung und Lehre an den Universitäten erhalten bleibt. "In der Regel verfügen nur die wissenschaftlichen Hochschulen über die notwendige fachliche Breite und das entsprechende Lehrangebot, strukturierte wissenschaftliche Promotionen sicherzustellen", betont Annette Schmidtmann, die bei der DFG die Gruppe zur Nachwuchsförderung leitet. Positiv sieht sie dagegen die Zusammenarbeit von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen - beispielsweise bei den Graduiertenschulen.

Der Einfluss der außeruniversitären Forschungsinstitute nimmt nach wie vor zu. Erst im Juli erhöhte die Bund-Länder-Kommission das Jahresbudget von Leibniz-Gemeinschaft bis Max-Planck-Gesellschaft um 3 bis 5 Prozent. Traumhafte Bedingungen für ForscherInnen und DoktorandInnen, wenn man sich die gleichzeitige Unterfinanzierung vieler Universitäten vor Augen führt.

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