Linke Schulhof-CD: Gähnfaktor Respekt

Ab November wird auf Sachsen-Anhalts Schulhöfen die CD "Respekt!" verteilt - mit Rock & Rap gegen Rechts. Gute Idee. Warum es das Projekt trotzdem schwer hat.

Political Correctness uncool? Hosen-Punk jedenfalls ist längst Konsensmusik. Bild: dpa

"Der Schrecken aller linken Spießer und Pauker", so lautete der Titel einer CD im Rahmen des "Projekts Schulhof". Die Aktion der rechtsradikalen Freien Kameradschaften, bei der CDs vor Schulhöfen und Jugendzentren verteilt wurden, richtete sich direkt an Jugendliche und potenzielle Erstwähler.

Sputnik, Jugendradio des MDR, hält nun akustisch dagegen. "Respekt!", so der Titel der "Hinhören-CD", die in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung und dem Kulturministerium Sachsen-Anhalt entstanden ist, soll so etwas wie der Schrecken aller Nachwuchsnazis sein - in Kooperation mit den "linken Spießern und Paukern", versteht sich. "Eine in Art und Umfang für Deutschland bislang einmalige Aktion", heißt es in der Pressemitteilung. Die CD soll vom 5. bis zum 9. November in einer Auflage von 45.000 Stück in den Klassen 9 bis 11 verteilt werden und Schüler zu Toleranz und Respekt einladen. Darauf versammelt alle Größen des deutschen Pop-Business: Sportfreunde Stiller, Wir sind Helden, Freundeskreis, Söhne Mannheims und Seeed. Die Toten Hosen natürlich sowieso. "Damit wollen wir einen Kontrapunkt setzen gegen die Verbreitung von rechtsradikaler Musik", sagt Camillo Schumann, Projektkoordinator von "Respekt!", der taz.

Nun ist man normalerweise in den Jahrgangsstufen 9 bis 11 zwischen 15 und 17 Jahre alt, will heißen: schwerst pubertär. Eine Phase, in der Political Correctness nicht unbedingt als Ausbund von Coolness gilt. Die Anziehung, die Verbotenes in Form von Drogen, Sex und Gewalt auf Jugendliche ausübt, ist eine anthropologische Konstante. Die machten sich bisher - nicht ohne Erfolg - die Rechten zunutze.

"Anpassung ist Feigheit. Lieder aus dem Untergrund" und "Schnauze voll? Wahltag ist Zahltag!" hießen die anderen beiden rechten Sampler.

So verurteilenswert diese Art von Werbung seitens der Rechten auch sein mag - ein gewisses anziehendes Protestpotenzial kann man dem Titel nicht absprechen. Gruppen wie "Landser", "Faktor Widerstand" oder "Faustrecht" stechen nun mal rein begrifflich für die netten Jungs vom "Freundeskreis", "Die Fantastischen Vier" oder "Gentlemen". Wenn die dann noch Instantweisheiten im Booklet der CD wie "Respekt erntet, wer Respekt zeigt" (Seeed), "Wir sind alle miteinander verbunden " (Gentlemen) oder "Alle wollen geliebt werden " (Smudo) von sich geben, ist die Multikulti-Konsenssoße perfekt. Jeder kann dann ja sagen, jeder sich ein bisschen gut und engagiert fühlen und jeder ein bisschen gähnen.

Natürlich sind Aktionen, Zeichen und Engagement gegen rechts immer zu begrüßen. Nur angesichts der Vorstellung eines ergrauten Lehrers mit Cordhose, der einem 16-jährigen Nachwuchsnazi eine CD mit "Wir sind Helden" in die Hand drückt, drängt sich doch die Frage auf, ob die Aktion letztlich nicht so peinlich ankommt, dass sie kontraproduktiv ist.

Im Jahr 2004 verbot die Staatsanwaltschaft Halle das Verteilen der CD, "allein schon deshalb, weil auf ihnen Jugendliche zur Kontaktaufnahme mit Rechtsradikalen vor Ort aufgefordert werden", wie der Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad damals sagte. Daraufhin stellten die Rechten prompt ihre Lieder ins Internet zum kostenlosen Download bereit - und das auf ausländischen Servern und damit in Sicherheit vor der deutschen Justiz. Dort werden Landser, Faustrecht und Konsorten weiter heruntergeladen - im Internet, wo man sich zwischen 15 und 17 normalerweise Musik beschafft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.