die wahrheit: Wunderwerk der Telefonitis

Die Wahrheit enthüllt: Apple bringt endlich das iPhone Shuffle auf den Markt. Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gerücht von Mund zu Munde eilte...

Apple-Chef Steve Jobs stellt zum Klang himmlischer Posaunen das neue iPhone Shuffle vor. Bild: reuters

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gerücht von Mund zu Mund eilte, dass der Himmel bald ein neues Produkt auf den Markt werfe und alle glücklich mache. Von nun an verbreiteten sich in niederen Blogs und den Foren des Pöbels die wildesten Spekulationen. Wahre Wunderwerke wurden nunmehr erwartet, mit tollen Eigenschaften, selbstverständlich in edlem Design. Das Geschrei wurde immer lauter, bis endlich Gottvater Steve Jobs wie stets zum Klang himmlischer Posaunen zu seinen Schäfchen herabstieg und in einer bombastisch inszenierten Messe die frohe Botschaft verkündete. Für den Neuntenelften (Verschwörungstheoretiker aufgepasst: nicht Elftenneunten!) hat er dem Stamm der Deutschen ein wundersames Gerät mit dem Namen Eifohn versprochen. Dafür hat er sich eigens nach Berlin begeben, denn das neue Wunder besitzt einen Tatsch-Skrien, auf dass fortan niemand mehr durch die Wirrnis vieler Knöpfe vom Weg des Allmächtigen abgebracht werde.

Die frohe Kunde wurde alsbald durch willfährige Boten verbreitet, und die Verteilung des neuen Wunders hat Gottvater Jobs in die getreuen Hände der irdischen T-Mobile gelegt, auf dass möglichst alle Gläubigen dem Wunder ohne Verzug huldigen können. Der Preis, den die Gottestreuen jedoch zu entrichten haben, ist von derart exorbitanter Höhe, dass besonders viele der Gläubigen vom Stamme Hartzvier die Kollekte nicht werden aufbringen können.

Doch weil Gottvater Jobs sich der Sünder stets erbarmt, wusste er einen Ausweg: ein besonders karges Eifohn mit nichts weiter als einem einzigen runden Knopf - das Eifohn Schaffel. Ein paar Jahre zuvor hatte er bereits ein anderes Wunder auf die Erde gebracht. Das vermochte den Sündern Engelsgesänge und himmlischen Schalmeienklang mittels kleiner Stöpsel ins Ohr zu blasen. Weil besonders die Kinder das Wunder so sehr liebten, nannte er es Eipott. Und weil auch die Kinder nicht sehr viel für die Kollekte erübrigen können, schuf er einen besonderen Eipott mit nur einem Knopf und nannte ihn Eipott Schaffel. Der schaufelte einen Gesang nach dem anderen in die weißen Stöpsel, die die Kinder belustigt und zufrieden "Schmalzbohrer" nannten, ohne dass sie wussten, welcher Choral gerade erklang, oder das Liedgut aus dem elektronischen Gesangbuch, dem "Display", auswählen konnten. Es wurde nirgends etwas angezeigt, hier hatte Gottvater gespart.

Das neue Wunder aber kann jetzt noch viel mehr als die Trompeten der Engel erklingen lassen. Es lässt sogar die Sünder miteinander reden, ohne dass sie sich am gleichen Ort befinden müssen. Das gibt es zwar bereits in Gestalt eines Gerätes des Satans, dass der Pöbel "Händie" nennt und anbetet, doch das neue Wunder ist anders, von göttlicher Schönheit und Güte, denn Gottvater Jobs selbst hat es geschaffen. Es wird durch einfaches Handauflegen aktiv - nein, noch besser, es reicht der Zeigefinger, um bunte Wunder auf dem Display erscheinen zu lassen. Die neuesten Requiems aus Gottes eigenem Eitjuhns-Shop oder per Fingerzeig dem Nächsten und Kollegen Barmherzigkeit und frohe Botschaften verkünden.

All das kann das Schaffel, die genügsame Variante des Eifohn auch. Es hat kein berührungsempfindliches Display, damit sind Choräle und Trompeten nicht direkt auswählbar - die Abfolge wird durch göttliche Vorsehung bestimmt, die von ungläubigen Gottesleugnern auch "Zufall" genannt wird. Auch die Auswahl der Gesprächspartner wird durch die Vorsehung bestimmt. Vorbei sind die Zeiten, in denen man mit klemmenden Knöpfen lange Nummern eingeben musste oder sich durch endlose Listen quälen musste, um eine bestimmte Nummer zu finden. Gottvater Jobs weiß nämlich, dass nur sieben Prozent der abgespeicherten Kontakte regelmäßig und bereits 47 Prozent aller anderen Kontakte seltener als einmal jährlich angerufen werden. So stand es auch im Kirchenblatt connect, und damit ist das Eifohn Schaffel das ideale Werkzeug, um auch längere Zeit brachliegende Kontakte aufzufrischen.

Grundlage der sorgfältig ausgewählten Anrufe ist eine Telefonliste. Die wird über den angeschlossenen Computer eingegeben. Aber selbst das ist nicht unbedingt erforderlich, der weise Gottvater hat auf jedem Eifohn Schaffel eine lange Liste von einsamen Menschen speichern lassen, die sich - wie selbstverständlich auch die Telekom - über jeden Anruf freuen. Und zwar auch dann, wenn sich, wie so oft bei drahtlosen Telefonaten, der Angerufene in Sichtweite befindet oder es überhaupt nichts mitzuteilen gibt. Selbst Gesprächsrunden mit drei, vier oder mehr unbekannten Partnern sind möglich: Einfach während eines Gesprächs die einzige Taste ein weiteres Mal drücken. Und dann noch mal und noch mal. Das macht Spaß, das macht Freude. DIETER GRÖNLING

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kari

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