die wahrheit: Die peinlichen Hemden des Untergangs

Braucht jemand ein weinrotes Hemd? In Schottland werden sie derzeit verramscht. Sie haben jedoch einen Schönheitsfehler: Sie sind mit dem Wappen des schottischen Fußballverbands verziert...

Braucht jemand ein weinrotes Hemd? In Schottland werden sie derzeit verramscht. Sie haben jedoch einen Schönheitsfehler: Sie sind mit dem Wappen des schottischen Fußballverbands verziert. Dabei hatten sich die Funktionäre das Geschäft ihres Lebens versprochen. Die Mannschaft hatte sich bei den Qualifikationsspielen für die Europameisterschaft nächstes Jahr in Österreich und der Schweiz sensationell geschlagen und den Vizeweltmeister Frankreich sowohl in Glasgow als auch in Paris besiegt. Jetzt fehlte bloß noch der Pflichtsieg in Georgien, und das Team wäre auf Kosten des Weltmeisters Italien qualifiziert gewesen.

Für das historische Ereignis bestellten die Funktionäre geschwind neue Trikots in der Farbe "Claret", wie Bordeauxweine im Englischen heißen. Um den horrenden Preis von umgerechnet 60 Euro zu rechtfertigen, limitierte man die Produktion auf 45.000 Stück. Der Trikothandel ist für britische Vereine und Verbände äußerst lukrativ, manche Vereine wie Manchester United treten im Laufe einer Saison in vier verschiedenen Hemden an, um den Fans das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Nun wollte auch der wenig erfolgsverwöhnte schottische Verband endlich einen Reibach machen. Die italienische Sportartikelfirma, die Schottlands weinrotes Jersey hergestellt hat, konnte sich vor Bestellungen kaum retten. Jedenfalls bis zum Spielbeginn. Dann gingen die Schotten in Tiflis mit 0:2 unter. Nun müssen sie gegen Italien gewinnen, um die Qualifikation doch noch zu schaffen. Hatte der italienische Hemdenfabrikant irgendwelche lähmenden Drogen in die Trikots eingewoben? Nach der Niederlage in Georgien hagelte es Abbestellungen. Seit die Trikots vorige Woche an die Läden ausgeliefert wurden, lagern sie wie Blei in den Regalen und teilen das Schicksal anderer schottischer Jerseys, die ebenfalls für verheerende Niederlagen verantwortlich gemacht wurden.

1991 glaubten die Fans vor dem Fernseher an eine Bildstörung. Bis dahin waren sie an relativ konservative schottische Auswärtstrikots gewöhnt, meistens Variationen von Blau und Weiß. Doch nun lief die Mannschaft in rotweißen Hemden mit futuristischen lila Dolchen auf und verlor. Aber es kam noch schlimmer: Drei Jahre später, bei der Qualifikation für die Weltmeisterschaft in den USA, spielten die Schotten in Schweinchenrosa. Viele Fans waren froh, dass sich ihr Team nicht qualifizieren konnte, sodass man sich nicht vor der ganzen Welt mit den peinlichen Hemden blamierte. Ebenso unbeliebt waren die Trikots für die Europameisterschaftsqualifikation 1996. Im traditionellen Schottenkaro sah die Mannschaft aus wie eine Volkstanztruppe, und so spielte sie auch. Die Niederlage gegen den Erzfeind England, bei der die Folkorefußballer einen Elfmeter versiebten, gab den Hemden den Rest.

Dasselbe Verhängnis ereilte nun die weinroten Trikots. Paul Sneddon, der unter dem Namen Vladimir McTavish als Komiker auftritt, verteidigte die Hemden: "Hätten wir gewonnen, wäre es den Fans sogar egal gewesen, wenn wir englische Trikots getragen hätten. Die Hemden passten wenigstens zur Gesichtsfarbe der Spieler nach dem Abpfiff."

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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