Dokumentarfilm über Flüchtlinge in Berlin: "Kontrollen sind der Alltag"

Der Film "I broke my future" begleitet afrikanische Flüchtlinge, die illegal in Berlin arbeiten. Die Dreharbeiten waren schwierig, berichtet Regisseurin Carla Gunnesch.

Szene aus dem Film "I broke my future" Bild: ueber morgen; CARDO Film

taz: Frau Gunnesch, war Ihnen die Asylproblematik vor dem Film bewusst?

Voller Hoffnung machen sich jedes Jahr tausende Afrikaner auf die Flucht nach Europa. Doch das vermeintliche Paradies zeigt schon bald nach der Ankunft seine Schattenseiten. Der Dokumentarfilm "I broke my future" erzählt von vier gestrandeten Flüchtlingen in Berlin. Die Regisseurin Carla Gunnesch begleitet die jungen Männer in ihrem Alltag zwischen Illegalität, drohender Abschiebung und Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die vier Afrikaner berichten von ihrer Angst, entdeckt zu werden, der Enttäuschung über Deutschland und ihrer einzigen Chance, hier frei leben zu können - der Scheinehe. Der Film läuft ab Donnerstag in den Kinos an.

Carla Gunnesch: Die Tragweite des Problems war mir nicht bekannt. Ich wusste, dass die Flüchtlinge in den Asylbewerberheimen bleiben müssen. Nicht aber, dass 80 Prozent ebendieser Heime leer stehen und wie schwierig es ist, den Alltag als Asylbewerber in Deutschland zu bewältigen.

Wie entstand dann die Idee zu dem Film?

Der Auslöser war eine Reportage über afrikanische Flüchtlinge, die ich gelesen hatte. Interessant war für mich, Flüchtlinge zu zeigen, die bereits in Deutschland leben. Viele ihrer Erwartungen wurden enttäuscht. Sie dachten, Europa ist das Paradies.

Und das ist es nicht.

Im Gegenteil. Selbst während der Dreharbeiten ist einer der Protagonisten ins Gefängnis gekommen. Im Nachhinein berichtete er, ihm wurden Schnürsenkel, Gürtel und die Gummis aus den Unterhosen abgenommen, damit er sich nicht umbringen könne. Es ist Alltag für Flüchtlinge, in Straßenkontrollen und ins Gefängnis zu kommen oder auch Geldstrafen zu zahlen.

Die Schwierigkeiten der Illegalität sind ständig präsent?

Man trifft unweigerlich auf sie. Allein der Aufenthalt in Berlins Innenstadt ist für sie illegal und ihre Arbeit auch. Es ist vorgekommen, dass sie während der Dreharbeiten plötzlich weggerannt sind oder sich versteckt haben. Allein aufgrund ihrer Hautfarbe sind sie leichter zu erkennen.

Wie haben Sie die Protagonisten denn gefunden?

Über eine Freundin kannte ich bereits einen Flüchtling in Berlin. Durch ihn kamen die anderen drei hinzu hinzu. Einer platzte zum Beispiel ständig in unserer Dreharbeiten, um uns Essen und Trinken zu bringen. Irgendwann habe ich ihn angesprochen, ob er mitmachen möchte.

Waren die Protagonisten nicht skeptisch?

Doch. Einer fragte mich sogar, warum ich den Film überhaupt mache. Er glaubt, dass sich keiner für die Asylproblematik interessiert. Schließlich seien es unsere Gesetze.

War es schwer, die Protagonisten für den Film zu werben?

Teilweise schon. Das Umfeld war sehr negativ eingestimmt. Viele waren extrem skeptisch; es war nicht leicht, sich in diesem Umfeld zu bewegen. Der Film basiert auf persönlichem Vertrauen.

Glauben Sie, die deutsche Asylpolitik forciert die Illegalität?

Ja. Junge Männer werden in die Illegalität getrieben, da sie in fern abgelegenen Asylbewerberheime untergebracht werden. Sie sollen bis zum Ende des Asylverfahrens dort bleiben. In Deutschland dauert das Verfahren im Schnitt drei Jahre. Solange haben sie keine Bewegungsfreiheit. Die Politiker hoffen, dass die Flüchtlinge freiwillig zurückgehen und ihren Familien erzählen, wie schlimm es hier ist. Aber das passiert nicht.

Sondern?

Sie erzählen, wie gut es ihnen geht. Dass sie im Paradies sind. Aber durch die jahrelange Erniedrigung haben die meisten ein negatives Gefühl Deutschland gegenüber entwickelt.

Viele Flüchtlinge heiraten deutsche Frauen. Wie präsent ist dieses Thema?

Dieser Aspekt ist einer der kontroversesten in meinem Film. Vielen erscheint eine Heirat zunächst als die einfachste Lösung, um hier bleiben zu können. Sie träumen von Liebe und Familie. Dies erfüllt sich in den Beziehungen zu deutschen Frauen nur selten.

Was würden Sie sich für die Zukunft der Protagonisten und vieler Asylanten wünschen?

Zwei Dinge: dass die Deutschen ein stärkeres Verständnis für sie und ihre Situation entwickeln. Zum anderen eine Veränderung der Asylpolitik.

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