Wenn Chefs kommunizieren: "Liebe Arbeiter!"

Konzernchefs schreiben offene Briefe an ihre Mitarbeiter. Eine neuer Trend und was er zu bedeuten hat.

Kann sich über Post vom Chef freuen: GDL-Chef Schell. Bild: dpa

"Stoppen Sie diesen Wahnsinn, Herr Schell!", stand am Donnerstag in einer deutschen Tageszeitung. Nein, das Blatt hat sich nicht auf die Bahnchef-Mehdorn-Seite geschlagen. Die Deutsche Bahn AG hatte eine ganzseitige Anzeige geschaltet, um ein bisschen Stimmung zu machen. "Wir sind bereit, über vieles zu reden, während Sie sich seit Monaten jeglicher Verhandlung verweigern. Hören Sie endlich auf, ein ganzes Land zu bestreiken", stand da weiter.

Am Mittwoch hatte Porsche eine ganzseitige Anzeige in Form eines offenen Briefes an die VW-Mitarbeiter in derselben Zeitung geschaltet und lobte sich mit den Worten: "Heute ist Porsche der profitabelste Automobilhersteller der Welt, zahlt hohe Erfolgsprämien an die Mitarbeiter (in diesem Jahr 5.200 Euro) und verfügt über das beste Image in Deutschland. Darauf sind wir verdammt stolz."

Kommunizieren Konzernchefs jetzt nur noch über Tageszeitungen mit ihren Arbeitern? Warum schreiben sie ihnen nicht einfach eine E-Mail? Wäre doch auch viel billiger. Zwei Erklärungsversuche:

Hypothese 1: In der Bedürfnispyramide nach Abraham Masslow folgt nach Sicherung der Grundbedürfnisse der Wunsch nach sozialer Anerkennung. Deutsche Konzernchefs von heute haben schon genug Geld. Sie haben jetzt Zeit und Muße, sich hehreren Bedürfnissen zu widmen: Liebe und Sympathie. In diesem Fall sind die Mitarbeiter das Medium, über das die Botschaft der Öffentlichkeit mitgeteilt wird.

Hypothese 2: Die Stimmung im Konzern ist derart mies, dass nur noch über Mediatoren kommuniziert werden kann. Nach dem Motto: "Mit dem red ich nicht mehr, richte ihm aus, dass " sollen die Leser den Arbeitern verklickern, sich nicht so anzustellen. Die Öffentlichkeit ist hier das Medium, das die Botschaft an die Mitarbeiter weiterleiten soll.

Hypothese 1 passt zu Porsche. Herr Wiedeking meint, dass Porsche die Herausforderungen der Globalisierung gemeistert hat und viel Geld verdient, denn der Aktienkurs ist um mehr 400 Prozent in den letzten drei Jahren gestiegen. Um das der Welt mitzuteilen, nimmt er den Umweg über einen offenen Brief. Anders im Fall Deutsche Bahn: Die Botschaft richtet sich eigentlich an die Lokführer, wählt aber den Umweg Öffentlichkeit. Die soll den Streikenden ausrichten: "Redet doch mal wieder mit eurem Chef, der ist ganz nett."

Die Öffentlichkeit beschäftigen derweilen zwei Fragen: Wann kann man wieder ungestört Bahn fahren? Und wann wieder in Ruhe seine Zeitung lesen?

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