Streiks weiten sich aus: Frankreich noch stiller

Eine Woche nach Start des Transportstreiks haben die Streiks in Frankreich einen neuen Höhepunkt erreicht. Tausende Beamte, Lehrer und Krankenhausmitarbeiter kamen nicht zur Arbeit.

Jetzt gehen auch Beamte und Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes auf die Straße. Bild: dpa

PARIS taz Am siebten Tag des Transportstreiks stand Frankreich gestern noch stiller als zuvor: Beamte aus sämtlichen Bereichen traten in den Ausstand. Schulen, Krankenhäuser, Zollämter, Postbüros und andere öffentliche Dienste wurden bestreikt.

"Mehr Lohn, mehr Arbeitsplätze und bessere öffentliche Dienste", lauteten die zentralen Forderungen bei Dutzenden von Demonstrationen im Land. Hinter den Transparenten trafen die zuvor isoliert streikenden Eisenbahner und Busfahrer auf Beamte sowie auf Studenten, die sich gegen eine Teilprivatisierung der Universitäten wehren, und auf Richter und Anwälte, die gegen die Schließung von mehr als 170 Provinzgerichten protestieren. Auch das Krankenhauspersonal, Fluglotsen und Mitarbeiter von Post und France Télécom gingen auf die Straße.

Je nach Quelle beteiligten sich gestern 30 Prozent (laut Regierung) oder 60 Prozent (Gewerkschaften) der 5,2 Millionen französischen BeamtInnen an dem zunächst auf 24 Stunden terminierten Streik. Scheinbar ungerührt von der Ausweitung der sozialen Proteste im Land erklärte Regierungschef François Fillon vor Parteifreunden in der Banlieue von Paris: "In der Rentenfrage werden wir nicht nachgeben."

Zu dem Streik im öffentlichen Dienst hatten alle acht nationalen Gewerkschaften aufgerufen. Ihre Hauptforderung ist eine Anhebung der seit 2002 eingefrorenen Löhne. Zugleich protestieren sie gegen den größten Stellenstreichungsplan des kommenden Jahres in Frankreich: 22.900 Beamtenstellen sollen 2008 verschwinden - davon die Hälfte an Schulen und Vorschulen. Damit ist, so der Konsens aller Gewerkschaften, das gegenwärtige Niveau der öffentlichen Dienste nicht zu halten. Bevor die Gewerkschaften zu dem gestrigen Streik aufriefen, hatten sie seit Mai vergeblich Verhandlungen mit der Regierung verlangt.

Auch beim Transportstreik, der schon in der vergangenen Woche begann und der sich vordergründig gegen die Abschaffung der Rentenvereinbarungen richtet, zeichnete sich gestern eine neue Bewegung ab. Nachdem die Streikbeteiligung bei der Bahngesellschaft SNCF in den Vortagen kontinuierlich gesunken war, stieg sie gestern um einen Punkt. Gestern Mittag votierten Vollversammlungen in den Eisenbahndepots erneut mit erhobener Hand und meist einstimmig für die Fortsetzung des Streiks am heutigen Mittwoch. Gleichzeitig erklärten sämtliche Gewerkschaften der Eisenbahner, dass sie bereit seien, das erste Verhandlungsangebot der Regierung anzunehmen.

Heute Nachmittag sollen "Dreiergespräche" zwischen Regierungs- und Unternehmensvertretern sowie Gewerkschaften in sämtlichen bestreikten Transportbetrieben beginnen. Arbeitsminister Xavier Bertrand wiederholte freilich gestern gegenüber dem Radiosender RTL, dass er nur verhandeln werde, wenn "ein paar mehr Busse" führen.

Auch auf Seiten der sozialistischen Opposition zeigte sich gestern etwas Bewegung. Die PS, die gegenüber dem Transportstreik weitgehend auf Tauchstation gegangen war und deren führende Köpfe die Streichung der Sonderrenten und die Verlängerung der Lebensarbeitszeit befürworten, erklärte gestern, dass sie den Streik der Beamten unterstützt. "Die geplanten Stellenstreichungen", erklärt die PS, "schwächen den Staat in seinen grundlegenden Missionen."

Der Chef der reformistischen Gewerkschaft CFDT, der schon zum Abbruch des Transportstreiks aufgerufen hatte, hatte gestern bei der zentralen Pariser Demonstration eine unangenehme Begegnung mit der Basis. François Chérèque wurde ausgebuht und als "Verräter" beschimpft. Ähnlich ist es seiner nach Ansicht der Basis ebenfalls zu kompromissbereiten Vorgängerin Nicole Notat im Herbst 1995 ergangen. Seither hat die CFDT zigtausende Mitglieder verloren.

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