Prozess gegen jungen Antifaschisten: Rechte erinnern sich nicht mehr

Das Amtsgericht hebt den Haftbefehl gegen "Matti" auf. Zwei Rechte beschuldigen ihn, sie verprügelt zu haben. Doch kein Zeuge erkennt den Angeklagten, und auch die Neonazis haben plötzlich Zweifel.

"Da bin ich mir nicht mehr 100 Prozent sicher." Mit diesem überraschenden Satz sorgte der Neonazi Sebastian Z. am Donnerstag für die entscheidende Wende im Verfahren gegen den Gewerkschafter und Antifaschisten Matthias Z. Auch die zweite Belastungszeugin, Stefanie P., konnte plötzlich nicht mehr eindeutig sagen, ob sie den Angeklagten tatsächlich als Täter erkannt hat. Die Verteidigung beantragte daher die Aufhebung des Haftbefehls, die Staatsanwaltschaft schloss sich dem an. Der Richter betonte anschließend, dass kein dringender Tatverdacht mehr bestehe, und hob den Haftbefehl auf.

Damit bestätigte er indirekt, was Politiker der Linken und der Grünen sowie Gewerkschafter und Jusos schon lange kritisieren: Die Aussagen der beiden Rechtsextremisten sind höchst unglaubwürdig. Matthias Z. ist somit vorerst frei und erhält die 10.000 Euro Kaution zurück, die er nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft hinterlegen musste.

Dem 22-Jährigen wird vorgeworfen, im November 2006 mit zwei weiteren Personen am S-Bahnhof Lichtenberg ein Neonazi-Pärchen angegriffen und verletzt zu haben. Die beiden Neonazis Sebastian Z. und Stefanie P. bezichtigten Matthias Z. der Tat und legten der Polizei noch in derselben Nacht ein selbst aufgenommenes Porträtfoto von ihm vor. Zwei Wochen später wurde er nach intensiver Observation und Telefonüberwachung festgenommen und saß mehr als 100 Tage in Untersuchungshaft. Der Vorwurf des versuchten Totschlags wurde erst nach Protesten von Politikern und Gewerkschaftern auf "gefährliche Körperverletzung" herabgestuft.

Am zweiten Verhandlungstag mehrten sich die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen der beiden Rechtsextremisten auch durch die Befragung dreier unabhängiger Zeugen, die zufällig am Tatort waren. Sie sagten aus, dass sie den Angeklagten unter den Angreifern nicht erkannt haben. Die Täter seien mit Sturmhauben vermummt gewesen. Wie die beiden Neonazis Z. unter den Maskierten erkannt haben wollen, blieb unklar. "Meines Erachtens konnte man da nicht viel erkennen", sagte ein Zeuge. Zudem schätzten die Zeugen die Statur der Täter auf 170 bis 180 Zentimeter. Matthias Z. ist 195 Zentimeter groß.

"Die Aussagen der Zeugen bestätigen, was wir immer gesagt haben: Unser Mandant war an der Tat nicht beteiligt", sagte Rechtsanwalt Daniel Wölky. Er gehe davon aus, dass die beiden Rechten ihre Aussagen relativiert haben, "um zu retten, was zu retten ist", und um eine Anzeige wegen Falschaussage zu vermeiden.

Das einzige Beweismittel gegen den Angeklagten blieb bis zuletzt die Anschuldigung der beiden Neonazis, die behaupteten, ihn als einen der Angreifer identifiziert zu haben. Antifagruppen glauben, dass Matthias Z. mit dem Verfahren eingeschüchtert werden soll, da er in einem anderen Prozess gegen Sebastian Z. als Zeuge auftrat. Beide Belastungszeugen sind dafür bekannt, "Anti-Antifa-Arbeit" zu machen und Fotos politischer Gegner zu sammeln.

Der grüne Abgeordnete Benedikt Lux, anwesend als Prozessbeobachter, zeigte sich erleichtert. "Nach der Befragung der unabhängigen Zeugen am Morgen war für mich klar, dass Matti als Täter nicht in Frage kommen kann." Er hoffe daher für den nächsten Prozesstag am 13. Dezember auf einen Freispruch.

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