Arbeitsbedingungen beim Billigflieger: Ryanair kriegt Ärger

Razzia in Rom, Ermittlungen in Mainz: Ryanair gerät ins Visier von Ministerien und Gewerkschaften. In Italien wurde die Airline nun wegen "antigewerkschaftlichen Verhaltens" verurteilt.

Ryanair-Chef Michael O'Leary in bester Laune. Seine Mitarbeiter haben oft nichts zu lachen - bei den Arbeitsbedingungen. Bild: dpa

Seit Jahren steht der irische Billigflieger Ryanair wegen seines Umgangs mit Arbeitnehmervertretern in ganz Europa in der Kritik. Zuletzt warfen Gewerkschaften Ryanair vor, zehn Flugbegleiter entlassen zu haben, nachdem diese sich bei der italienischen Transportgewerkschaft FIT-CISL organisierten. Seit langem wird beklagt, dass die Airline sich kategorisch weigere, die Gewerkschaften als Verhandlungspartner anzuerkennen.

Die Quittung bekam das Unternehmen am vergangenen Donnerstag vom Arbeitsgericht im zentralitalienischen Velletri, zuständig für den Flughafen Rom-Ciampino. Dieses urteilte, Ryanair habe sich durch die Weigerung, überhaupt mit der FIT-CISL zu reden, des "antigewerkschaftlichen Verhaltens" schuldig gemacht. "Unmittelbar" muss Ryanair nun mit der FIT-CISL in Verhandlungen treten. Hierzu wurde die Airline verpflichtet, der Gewerkschaft "sämtliche Daten über das Niveau prekärer Beschäftigung" - in Italien wird darunter auch die bei Ryanair übliche Leiharbeit verstanden - offenzulegen. Zudem muss die Fluggesellschaft "jegliches illegale Verhalten einstellen" und zum Beispiel Überwachungskameras in Personalräumen abbauen.

Erst vor kurzem hatte das Arbeitsministerium in Rom Vertreter der Airline und der FIT-CISL zu einem Schlichtungstermin eingeladen. "Atmosphärisch war ganz klar: Hier gibt es nichts zu schlichten", sagt FIT-CISL-Vorstand Stefano Pietrini. Das Treffen sei "völlig ergebnislos" geendet. Mit dem Urteil werde dies anders: "Arbeitszeiten, Tarifvertrag, das kommt jetzt alles auf den Tisch."

2006 hatte die Ryanair-Belegschaft am Flughafen Ciampino erstmalig einen Vertreter für die FIT-CISL gewählt. Nach Angaben der Gewerkschaft wurde dieser direkt nach der Wahl nach Marseille versetzt. Als er sich weigerte, der Versetzung Folge zu leisten, wurde er entlassen. Neun weiteren FlugbegleiterInnen, die seitdem der FIT-CISL beitraten, wurde nach deren Angaben ebenfalls gekündigt. Über die Rechtmäßigkeit der Kündigungen wird in einem gesonderten Verfahren entschieden.

Doch Ryanair drohen noch weitere Schwierigkeiten. Am Morgen des 12. Oktober rückte ein Inspektionsteam der römischen Aufsichtsbehörde für Beschäftigung in Begleitung von Carabinieri im Ryanair-Büro auf dem Flughafen Ciampino an. "Die Inspektoren haben die Mitarbeiter nach ihren Arbeitszeiten und ihrer Sozialversicherung befragt", so ein Gewerkschaftssprecher. Fünf Stunden seien die Beamten in den Ryanair-Räumen geblieben und hätten Akten und Computerdateien in Augenschein genommen. Mit einem Ergebnis der Untersuchung wird in Kürze gerechnet.

Bei dem Ryanair-Personaldienstleister Crewlink spielt man den Vorfall herunter. Es habe sich nicht um eine Razzia, sondern um eine "Routineüberprüfung" gehandelt. "Alle Ryanair- und Crewlink-Verträge entsprechen vollständig irischem und EU-Recht. Wir sind zuversichtlich, dass die Untersuchung dies bestätigen wird", so Crewlink.

Ungemach droht auch an der größten deutschen Ryanair-Basis in Frankfurt-Hahn. Nachdem die taz im Oktober über die Beschäftigungspraktiken des Billigfliegers berichtet hatte, leitete das rheinland-pfälzische Arbeitsministerium in Mainz Ermittlungen ein. "Wir haben die Hinweise aus den Presseberichten zum Anlass genommen, die Arbeitsbedingungen von Crewlink und Ryanair einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen", sagte Ministeriumssprecherin Beate Fassbinder-Döring. Es sei "relativ bald" mit Ergebnissen des Referats für sozialen Arbeitsschutz zu rechnen, so Fassbinder-Döring.

Ryanair und Crewlink kommentieren die Angelegenheit im gleichen Wortlaut: "Alle Ryanair- und Crewlink-Verträge entsprechen vollständig irischem und EU-Recht. Wir sind zuversichtlich, dass die Untersuchung dies bestätigen wird."

Zur gleichen Zeit veröffentlichte der Ver.di-Landesverband Bremen/Niedersachsen eine "Schwarze Liste Hungerlöhne". Auf die Liste kamen Unternehmen aus den beiden Bundesländern, die ihren Mitarbeitern Stundenlöhne von weniger als 6 Euro zahlen. Eines der insgesamt acht angeprangerten Unternehmen: Ryanair. "Lohndumping darf kein Geschäftsmodell sein", sagte der niedersächsische Ver.di-Vorsitzende Siegfried Sauer: "Solche Hungerlöhne sind Ausbeutung." Die Gewerkschaft fordert einen Mindestlohn von 7,50 Euro. Obwohl sich die Inkriminierung auf die Crewlink-Beschäftigten bezieht, weist man dort jede Verantwortung zurück: "Wenn eine Gewerkschaft Ryanair auf eine schwarze Liste setzt, dann müssen sie darüber mit Ryanair reden."

Gewerkschaften vermuten seit langem, dass es sich bei den Ryanair-Personaldienstleistern um Firmen handelt, die gemeinsam mit dem Management der Airline gegründet wurden - als eine Art externes Profitcenter zur Abzocke von Jobanfängern.

Doch Crewlink streitet dies ab: "Crewlink ist völlig selbstständig. Es bestehen keine Verbindungen zum Management von Ryanair."

Trifft dies zu, dürften Probleme auf sie zukommen. Nach Ansicht renommierter Arbeitsrechtler würde Crewlink dann nämlich reguläre Leiharbeit vermitteln. Und das ist in Deutschland genehmigungspflichtig. "Für die Überlassung von Arbeitnehmern ist auch dann eine Lizenz nötig, wenn der Firmensitz im Ausland liegt", sagt die Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, Frauke Wille. Doch: "Für Crewlink ist eine solche Genehmigung bundesweit nie erteilt worden."

Keine Misstöne trüben indes das Verhältnis von Ryanair und den Analysten. Vor zwei Wochen präsentierte das Unternehmen seine Halbjahresbilanz. Bei einem Umsatz von 1,554 Milliarde Euro verdiente Ryanair in den letzten zwölf Monaten 408 Millionen Euro nach Steuern - bei beiden Kennzahlen ein Anstieg um satte 24 Prozent.

Entsprechend stieg seit April 2006 der Preis für die an der amerikanischen Nasdaq gehandelten Ryanair-Aktien um mehr als 90 Prozent. Die am Wochenende für gut 41 Dollar gehandelten Anteilsscheine werden von den wichtigsten Investmentbanken als "Strong Buy" eingestuft - der höchsten Kategorie für Kaufempfehlungen.

MITARBEIT: MICHAEL BRAUN HELEN PIDD

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.