Bulgarische Geschichte in den Medien: Streit um Massaker

Bulgarischen WAZ-Zeitungen wird eine Hetzkampagne gegen eine Kunsthistorikerin vorgeworfen. Darum kündigte Verlagschef Hombach an, notfalls in redaktionelle Belange einzugreifen.

Unsicher, wie viel Gestaltungsfreiheit seine bulgarischen Chefredakteure haben sollen: Verlagschef Hombach. Bild: dpa

Bulgariens Staatspräsident Georgij Parwanow ist dieser Tage wieder sehr gefragt: nicht als diplomatischer Gesprächspartner in Sachen der Befreiung von inhaftierten bulgarischen Krankenschwestern in Libyen oder EU-weiter Kriminalitätsbekämpfung, sondern in seiner Eigenschaft als studierter Historiker. Am Donnerstag wird Parwanow den Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, Bodo Hombach, in Sofia empfangen und seinem Gast einige Grundzüge der bulgarischen Geschichte näher zu bringen versuchen. Thema des präsidialen Kurzvortrages: das Massaker von Batak im Jahre 1876, bei dem osmanische Truppen ein ganzes Dorf auslöschten und das für die Bulgaren zu den traumatischen Schlüsseldaten ihrer Geschichte zählt.

Genau dieses historische Ereignis bereitet der Essener WAZ-Gruppe, die seit 1997 in Bulgarien aktiv ist und dort zwölf Prozent ihrer Auslandsumsätze erwirtschaftet, jetzt Ungemach. So sollen sich die beiden auflagenstarken Tageszeitungen und Flaggschiffe der WAZ in Bulgarien, 24 Tshasa (24 Stunden) und Trud (Arbeit), im Frühjahr an einer nationalistischen Hetzkampagne gegen eine angehende Kunsthistorikerin, die Bulgarin Martina Balewa, beteiligt haben - so lauten zumindest die in der deutschen Presse erhobenen Vorwürfe. Balewa, die an einer Studie zur Batak-Repräsentation arbeitet, stellt unter anderem die offiziellen Opferzahlen in Frage und vertritt die These, dass Darstellungen des Massakers nicht auf Originalen beruhten, sondern auf Fotos, die im Nachhinein gestellt worden seien.

Wegen des Sturms der Entrüstung, die diese Thesen auslösten, wurde eine Konferenz zum Thema, an der das Deutsche Historische Museum Berlin und die FU Berlin beteiligt waren und die kurz darauf in Sofia stattfinden sollte, abgesagt. Daraufhin habe Balewa fluchtartig ihr Heimatland verlassen müssen und sei bis heute mit Morddrohungen konfrontiert, schrieb die Berliner Zeitung am Donnerstag (22. 11.). Doch damit scheint das Mitteilungsbedürfnis Balewas gegenüber der deutschen Presse derzeit offenbar erschöpft zu sein. Einen Interview-Termin mit der taz ließ sie platzen.

Bereits am Montag zuvor (19. 11.) reagierte die WAZ, die bisher das Prinzip der Nichteinmischung in redaktionelle Angelegenheiten bei ihren südosteuropäischen Ablegern propagiert hatte, auf die Kritik. Gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) kündigte Bodo Hombach an, dass die bisherige Verlagspolitik, sich bei osteuropäischen Titeln nur um verlegerische Aufgaben zu kümmern und die Inhalte allein der Chefredaktion zu überlassen, wegen negativer Erfahrungen so nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Verträge, so Hombach weiter, die eine Einmischung in redaktionelle Belange prinzipiell ausschlössen, würden künftig nicht mehr unterzeichnet. Zwar gehe es nicht darum, sich in die Politik anderer Länder einzumischen, jedoch müssten journalistische Qualitätsstandards und die Wahrhaftigkeit der Berichterstattung gesichert werden.

Nur vier Tage später hörte sich das Ganze etwas anders an. In einem Interview, das am Freitag (23. 11.) in 24 Tshasa und Trud unter dem Titel " Unser eisernes Prinzip bleibt bestehen - die Chefredakteure verantworten die Ausgabe" erschien, rudert Hombach zurück. Auf die Frage, ob die Redaktionen in Südosteuropa jetzt an die kurze Leine genommen werden sollen, sagt er: "Das ist eine Fehlinterpretation. Unser Grundprinzip bleibt: Der Verlag mischt sich nicht in die Inhalte unserer Zeitungen ein. Er macht das an keinem Ort, zu keiner Zeit und gegenüber niemandem. Er macht keine politisch-inhaltlichen Vorgaben. Die Blattlinie ist ausschließlich in der Verantwortung der Chefredakteurinnen und Chefredakteure."

Weiter verweist Hombach, der den Präsidenten des Internationalen Journalistenverbandes, Aidan White, zu seinem Berater erkoren hat, auf die Notwendigkeit, die Qualitätsprinzipien der Arbeit zu definieren und zu gestalten. Die Aufgabe, Qualitätsjournalismus im Sinne des Lesers zu verstärken und zu verbessern, wolle der Verlag stärker als je zuvor unterstützen. Die Weiterbildung und Ausbildung solle erheblich ausgebaut und verbessert werden.

Kehrtwende

Hombachs Kehrtwende will die WAZ nicht als solche verstanden wissen. Vielmehr handele es sich um eine Konkretisierung der Ankündigung, etwas tun zu wollen. Dazu gehöre eben auch, sich Expertise und Beratung von außen zu holen, heißt es aus der WAZ-Pressestelle.

Derlei Expertise könnte in der Tat nützlich sein, zumal die Blätter 24 Tshasa und Trud nicht unbedingt für Qualitätsjournalismus stehen. Der Sofioter Medienwissenschaftler Orlin Spassow bezeichnet die beiden WAZ-Tageszeitungen als Hybridpresse, die Elemente des seriösen und des Boulevardjournalismus vereinen. Dabei hätten Letztere ein klares Übergewicht. "Batak ist keine zielgerichtete Kampagne der beiden Tageszeitungen", sagt er. "Vielmehr geht es um die Unfähigkeit, die Folgen einer Suche nach Sensationen um jeden Preis vorherzusehen."

Nach der "Konkretisierung" der WAZ beruhigen sich auch in Sofia wieder die Gemüter. "Eine Einmischung in die Redaktionspolitik, das würde ganz klar Zensur bedeuten, und das würden wir nicht zulassen", sagt ein Journalist einer bulgarischen WAZ-Zeitung, der seinen Namen nicht nennen möchte. Zwar sei es positiv, dass die WAZ die Ankündigung, sich als Verlag notfalls in redaktionelle Belange einzumischen, wieder relativiert habe; dennoch sei dieser Schnellschuss unverständlich. "Das", sagt er, "hat der WAZ geschadet."

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