Deutschland auf Platz 13: Köhler trotz Pisaerfolgs skeptisch

Beim Pisa-Test 2006 liegen deutsche Schüler erstmals über dem Mittelmaß. Bundespräsident Köhler missbilligt dennoch fehlende Chancengleichheit.

In Naturwissenschaften schneiden deutsche Schüler häufig recht gut ab. Bild: ap

Die deutschen Schüler haben beim Pisatest erstmals einen Erfolg errungen. Sie liegen mit 516 Punkten 16 Zähler über dem Durchschnitt der getesteten 15-Jährigen in der OECD. Auf der weltweiten Pisatabelle landen sie damit auf Platz 13 von 57 Staaten. Erster wurde erneut Finnland (563 Punkte), letzter Kirgisien (322 Punkte).

Ärger gab es darüber, dass der offizielle Pisa-Koordinator Andreas Schleicher diese Zahlen schon jetzt bestätigte, nachdem eine spanische Lehrerzeitung darüber berichtet hatte. Eigentlich sollten sie erst nächste Woche veröffentlicht werden. Ein vorher festgelegter Zeitpunkt ist den Kultusministern der Länder wichtig: Sie setzen gewöhnlich viel Rafinesse ein, um den Zahlen den gewünschten PR-Dreh zu geben.

Als nun ihr Zeitplan kippte, entrüsteten sich CDU-Politiker: "Wenn ein OECD-Vertreter selbst mit Aussagen vorab an die Öffentlichkeit geht, ist das ein einmaliger Vorgang", sagte Hessens Kultusministerin Karin Wolff (CDU). Sie forderte für die unionsgeführten Länder Schleichers Ablösung. Er könne es aus ideologischen Gründen nicht ertragen, wenn Deutschland besser werde.

Schleicher fing sich die Rücktrittsforderung auch ein, weil er darauf hinwies, dass Pisa 2006 erstmals einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt habe. Die Studie sei daher nicht ohne weiteres mit den Studien vergleichbar, die den Schwerpunkt auf Lesen (Pisa 2000) und Mathematik (Pisa 2003) legten. Dabei lagen die Deutschen stets unter dem OECD-Mittelwert.

Schleicher gehört zu den radikalsten Kritikern des deutschen Bildungssystems. Hier herrsche das "Bewusstsein vor, dass man schlechte Schüler loswerden kann und Schüler in homogene Leistungsgruppen sortiert." Staaten wie Finnland oder Kanada zeigten, dass man durch integratives und individuelles Fördern von Schülern auch das Leistungspotenzial von Schülern aus ungünstigen sozialen Milieus steigern könne. "Leistung zu maximieren und Chancengleichheit sicherzustellen", seien kein Gegensatz, sagte Schleicher einmal in einem taz-Interview.

Schleicher äußerte sich am Donnerstag nicht mehr - dafür trat Bundespräsident Horst Köhler in seine Fußstapfen. Die fehlende Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem sei eine "unentschuldbare Ungerechtigkeit". Sie schade nicht nur den Betroffenen, sondern sei auch "eine Vergeudung von Humanvermögen", sagte Köhler auf dem "Forum Demografischer Wandel" in Berlin. "Wir sind es allen Kindern in unserem Land schuldig, dass sie die bestmögliche Vorbereitung auf den Eintritt in die Schule erhalten."

"In einer Gesellschaft, die immer kleiner wird, kommt es umso mehr auf jede und jeden an," sagte Köhler. "Niemand darf zurückgelassen werden." Er bezog sich vor allem auf den mit 18 Prozent sehr hohen Anteil von Kindern aus Einwandererfamilien, die die Schule abbrechen.

Köhler kritisierte, dass Deutschland zu wenig Geld in die Bildung investiere. Er nannte den demographischen Wandel eine Chance. Man könne für jeden Schüler mehr ausgeben, wenn weniger Schüler da sind. "Die Erkenntnisse sind da. Es geht um die Umsetzung. Und die Umsetzung ist zu langsam."

Köhler äußerte sich indirekt sogar zur Schulstruktur. "Schon heute ist zu beobachten, dass dort, wo sich die Schulstruktur aufgrund sinkender Kinderzahlen ausdünnt, die Bereitschaft zu pragmatischen Lösungen steigt." Köhler spielt damit auf Regionen wie die Insel Fehmarn an - dort wurde wegen Schülermangels eine Inselschule gegründet, eine "Schule für alle".

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