Bibliotheken: Knirpsenaufstand in Pankow

Lesen macht schlau, auch die Kleinen. Das Bezirksamt Pankow dagegen macht doof, weil es die Kinderbibliothek in der Esmarchstraße schließen will. Nun haben die Kinder ihre Bibliothek besetzt.

Viele Kinder lesen gern - wenn sie denn an die Bücher kommen. Bild: dpa

Dutzende kleine Knirpse in bunten Winterjacken bummeln in den Vorhof der Kurt-Tucholsky-Bibliothek in der Esmarchstraße in Prenzlauer Berg und machen ordentlich Krach. Ein Kind schlägt auf einen Topf, die anderen rufen mit voller Stimme Parolen, deren Sätze in dem Lärm zerfließen. Ein kleines Mädchen in rosa Jacke hält stolz ein Plakat hoch: "Wir wollen unsere Bibliothek behalten". Um das zu erreichen, besetzen die rund 40 Kinder das Gebäude - zusammen mit den Leuten der "Pro Kiez"-Initiative, die ebenfalls gegen die Schließung protestieren.

"Wir wollen ein Zeichen setzen, damit die Finanzplanung in der Öffentlichkeit diskutiert wird", sagt Peter Venus von der Initiative "Pro Kiez". Unter seinem Arm hat er ein Megafon geklemmt. Venus kritisiert, dass Kultur im Land Berlin keine "Pflichtaufgabe" sei. Deshalb könnten die Leute keinen Anspruch auf Bibliotheken und Musikschulen erheben. Die "Pro Kiez"-Initiative hat in wenigen Wochen mehr als 3.000 Unterschriften gesammelt, um die Kurt Tucholsky-Bücherei zu erhalten, zu der auch die Kinderbücherei "Nobi" gehört.

Doch vergebens: Der Bezirk Pankow hat den Zeitpunkt der Schließung bereits auf den Freitag um 14 Uhr festgelegt. Bücher können allerdings noch bis Jahresende zurückgegeben werden.

Inzwischen haben sich die Fünfjährigen von der Kindertagesstätte in der nahgelegenen Hans Otto-Straße in der Bibliothek niedergelassen und lauschen leise der Geschichte "Die Hasen und der Wilddieb Waldemar". Anwesend ist auch der Verantworliche für das Ende der Bücherei, Kulturstadtrat Michael Nelken (Linkspartei). "Ich habe natürlich großes Verständnis, dass die Leute hier protestieren", sagt er. Er selbst sei auch nicht glücklich mit der Entscheidung, doch könne er nichts machen, wenn den Bezirken weiter das Gelder für Personal gestrichen werde. "Es muss jetzt auch mal Schluss sein damit", sagt der Stadtrat zu den Mittelkürzungen.

"Das ist ganz traurig für die Kinder", sagt Ulrike Roser (37). Ihr Kind sitzt gerade im Nebenraum. Bisher konnte es alleine in die Bücherei laufen, nun müsse man mit der Straßenbahn eine halbe Stunde fahren, um Bücher ausleihen zu können, sagt Roser.

Auch andere Bibliotheken sind betroffen: So hat die Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 21. November mit den Stimmen der SPD und der Linkspartei beschlossen, die Bibliothek in der Senefelder Straße zu schließen.

In anderen Bezirken gibt es ähnliche Pläne: In Karow soll eine Bibliothek in der Achillesstraße geschlossen werden, in Wedding die Jerusalemer Bibliothek in der Schulstraße. Auch dort wird gegen die Schließung protestiert: Vor der Bibliothek versammeln sich die Demonstranten und wollen zum Rathaus-Neubau in die Müllerstraße ziehen. Organisiert hat das Tom Schweers von der Initiative "Rettet die Jerusalem-Bibliothek".

Peter Venus richtet sich unterdessen auf die Besetzung der Kurt-Tucholsky-Bibliothek in Pankow ein. Mit zehn bis zwanzig anderen Mitstreitern von "Pro Kiez" will er auch in der Nacht bleiben.

Die Kinder würden im Laufe des Tages natürlich wieder nach Hause gehen, sagt er. Wie lange die Besetzung dauern soll, ließ Venus offen. "Wir hoffen, dass entsprechender politischer Druck entsteht."

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