Eskalierende Gewalt: EU-Einsatz im Tschad wird unwahrscheinlicher

Aufgrund neuer Kämpfe im Osten Tschads droht die geplante Intervention auf unbestimmte Zeit verschoben zu werden. In den letzten 10 Tagen soll es bis zu 1.000 Opfern gegeben haben

Leiden weiter unter Gewalt: Flüchtlinge im Grenzgebiet Tschad-Sudan Bild: ap

BERLIN taz Die geplante EU-Truppe "Eufor" im Osten des Tschad und der Zentralafrikanischen Republik droht zu scheitern, bevor ihr Einsatz begonnen hat. Zunehmende Zurückhaltung bei den Truppenstellern und vermehrte Kämpfe im tschadischen Einsatzgebiet machen eine rasche Entsendung der auf bis zu 3.500 Mann geplanten Truppe immer unwahrscheinlicher. Inzwischen ist von Mai 2008 die Rede. Ursprünglich hätten die EU-Soldaten im November mit ihrer Mission im Grenzgebiet zu Darfur beginnen sollen.

"Der Prozess ist im Augenblick blockiert", sagte Eufor-Sprecher Oberstleutnant Patrick Poulain gegenüber der UN-Nachrichtenagentur Irin. "Die EU-Staaten haben sich nicht darauf geeinigt, wer die benötigte Ausrüstung stellen soll, und sie halten nicht einmal mehr Truppenstellerkonferenzen ab." Vor allem hat die Truppe noch keine Hubschrauber und kann daher nicht stationiert werden. Dem Bericht zufolge hat die EU-Truppe noch nicht mit der Einrichtung ihrer Militärbasen im Osten Tschads begonnen, und nicht einmal die genauen Orte stehen fest. So besteht die eigentlich als bisher größte EU-Militärintervention in Afrika gedachte Mission derzeit nur aus 23 Offizieren in Tschads Hauptstadt.

Die Truppe soll nach derzeitigem Stand von Irland kommandiert werden und französische Soldaten als Hauptkontingent umfassen. Frankreich hält ständig 1.100 Soldaten in Tschad stationiert, um Präsident Idriss Déby notfalls militärisch gegen einen Umsturz zu schützen. Damit wird die von der EU anvisierte Neutralität ihrer Truppe in innertschadischen Konflikten in der Praxis kaum einzuhalten sein. Mehrmals haben Rebellengruppen im Osten Tschads angekündigt, europäische Eingreiftruppen in ihrem Gebiet als Feind anzusehen.

Die Warnung wurde Ende letzter Woche erneuert, nachdem eine Reihe von Rebellenarmeen ihre unter libyscher Vermittlung mit Tschads Regierung geschlossenen Waffenstillstandsabkommen einseitig aufgekündigt hatten und erneut in den Krieg zogen. Die Rebellenbewegung UFDD (Union der Kräfte für Demokratie und Entwicklung) erklärte, sie befände sich "im Kriegszustand mit der französischen Armee und jeder anderen ausländischen Streitmacht auf dem Staatsgebiet". Ein in Gabun ansässiger UFDD-Sprecher nannte die EU-Truppe "eine französische Initiative und ein Mittel zum Schutz Débys".

Neben der UFDD ist auch die FUC (Vereinigte Kräfte für den Wandel) des im März als Verteidigungsminister in die Regierung aufgenommenen und im Oktober wieder entlassenen Mahamat Nour an den Kämpfen beteiligt, ebenso sowie die RFC (Sammlung der Kräfte für den Wandel) des einstigen tschadischen Ölministers Tom Erdimi. Schwere Schlachten an verschiedenen Orten des östlichen Tschad haben in den letzten zehn Tagen nach unabhängigen Schätzungen bis zu 1.000 Tote gefordert. Die Kämpfe sind die heftigsten seit der Blitzoffensive von Rebellen quer durch das Land in die tschadische Hauptstadt zu Ostern 2006.

Offiziell ist von einer Verschiebung der EU-Truppe keine Rede. Ihre Stationierung solle "möglichst vor Jahresende" beginnen, teilte das französische Außenministerium mit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.