Multiresistente Tuberkulosekeime: Schwer besiegbarer Feind

Die Tuberkulose ist weltweit auf dem Vormarsch. Besonders gefährlich sind die multiresistenten Bakterien. Aber auch Ärzte, die nur wenig über diese Krankheit wissen, sind ein Problem.

Im medizinisch-diagnostischen Laboratorium werden Blutproben auf Tuberkulose getestet. Bild: dpa

BERLIN taz Der junge Mann aus der Mongolei wurde verhaftet und abgeführt. Vor der Überstellung ins Gefängnis wurde er noch gründlich untersucht. Ergebnis: Er litt an Knochentuberkulose - bis dahin unentdeckt. So hätte die gerichtliche Verurteilung noch seine Rettung sein können, wären die Bakterien, die ihn plagten, nicht auf fast alle Medikamente, die helfen sollten, resistent gewesen. Eine Operation war nötig, um die infiltrierten Wirbel zu stabilisieren, der Patient wurde zum Rollstuhlfahrer. Doch letztlich verlor er den Kampf gegen die Krankheit, der junge Mann verstarb in einer Klinik.

Neben so dramatischen Verläufen gibt es heute in Deutschland vor allem unspektakuläre Fälle von TB (Tuberkulose). Zwar kann auch dann das Husten, Niesen, Sprechen gefährlich sein - für die anderen, weil die Ansteckung mit der etwa 20.000 Jahre alten Krankheit vorwiegend über die Atemwege stattfindet. Mit speziellen Antibiotika - Antituberkulotika genannt - ist TB aber relativ gut heilbar und nach einigen Wochen Behandlung auch nicht mehr ansteckend. Mindestens sechs Monate dauert die Therapie dennoch. Auch wer zwar infiziert, aber nicht erkrankt ist, kann chemopräventiv behandelt werden. Sonst droht im Alter oder bei eintretender Immunschwäche ein Revival der im Körper "schlummernden" Bakterien.

Aber: "Vom Ziel, das man in den 80er-Jahren hatte, nämlich die Tuberkulose auszurotten, musste man sich leider erst mal verabschieden", weiß Bonita Brodhun. Die Expertin vom Robert-Koch-Institut (RKI) warnt vor den aktuellen multiresistenten Bakterien. Auch wenn Robert Koch den Erreger der Tuberkulose, Tuberkel genannt , schon 1882 identifizierte - heutige Bakterienstämme sind um einiges gefährlicher. Brodhun berichtet zudem von der "tödlichen Liaison", die Tuberkel mit dem HI-Virus eingehen. In Afrika wie auch in Südostasien entstehen Krankheiten, die kaum beherrschbar sind. Weltweit ist TB auf dem Vormarsch - und vor 2015 hofft nicht mal die optimistische Weltgesundheitsorganisation (WHO), den Trend zu stoppen.

Dabei gilt TB traditionell als Krankheit der Armen, im modernen Westeuropa auch als die der Migranten. Viele Erregerstämme, darunter viele resistente, kommen aus Osteuropa - weil die Krankheit dort gar nicht oder nur unzureichend behandelt wurde. Vor allem die Gefängnisse in der ehemaligen Sowjetunion sind dafür berüchtigt. Wo sich Armut ballt und Menschen auf engem Raum unter ungesunden Bedingungen leben, steigt das Risiko. Hinzu kommt eine genetische Disposition: Nicht alle Menschen sind gleich empfänglich. Zwar erkranken auch nur 5 bis 10 Prozent der Infizierten an TB - meist in den ersten zwei Jahren, aber ein Restrisiko bleibt, lebenslang.

Insgesamt mag die Gefahr, an der "weißen Pest" zu erkranken, in Deutschland seit den 60er-Jahren eindeutig zurückgegangen sein - auch in der jüngsten Vergangenheit. So waren es 2005 noch über 6.000 Neuerkrankungen, die das RKI zählte; für 2006 sind es dem vorläufigen Ergebnis nach exakt 5.408. Wie sich das in einem punktuell verarmenden Land langfristig entwickelt, ist indes wohl noch ungewiss. Schon jetzt muss man sich mit einem 78-prozentigen Heilungserfolg begnügen. Offizieller Grund: Bei jenen vielfältig erkrankten Senioren, bei denen zusätzlich Tuberkulose ausbricht, beendet oft eine andere Todesursache die TB-Behandlung.

So ist das Mycobacterium tuberculosis weiter zu fürchten - es ist nach wie vor ein schwer besiegbarer Feind. Barbara Hauer vom Deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose weist darauf hin, dass das abnehmende Wissen der Ärzteschaft über TB durch die vermeintliche Verringerung des Problems selbst ein solches darstellt: "Da können viele Monate vergehen und mit falscher Therapie verbracht werden, bis die richtige Diagnose kommt." Die stützt sich dann meist auf ein Röntgenbild und auf bakteriologische Untersuchungen.

Der sogenannte Tuberkulintest, bei dem es auf eine Hautreaktion ankommt, ist hingegen nicht besonders sicher. Auch ein neuer Bluttest ergibt keine sicheren Ergebnisse. Daher wird von prophylaktischen TB-Tests abgeraten. Bei konkretem Verdacht bestehen die Gesundheitsämter auf gründliche Checks betroffener Personenkreise. Gefährlich ist da vor allem die Miliartuberkulose, die im Körper streut und langsam zur typischen Auszehrung führt, früher "Schwindsucht" genannt. Denn Tuberkel können sich überall ansiedeln: Nieren, Hirn, Haut, Genitaltrakt Oft sind aber vor allem die Lungen befallen. Dann ist chronischer Husten, mitunter blutig, das erste Alarmzeichen. Kommen Abgeschlagenheit, Fieber, Stechen in der Brust, Gewichtsabnahme oder Nachtschweiß hinzu, muss die Erkrankung an Tuberkulose in Betracht gezogen werden.Wenn ein Arzt auf die Frage danach jedoch nur lacht, empfiehlt sich eine zweite ärztliche Meinung. Zur Feststellung von Resistenzen gibt es, sollte der Befund positiv sein, Schnelltests. Sie sind wichtig zur Wahl der Therapiemittel. Selbst Multiresistenz-Erkrankte haben bei rechtzeitiger und konsequenter Behandlung noch eine Chance von über 50 Prozent.

Allerdings gibt es Patienten, die sich nicht behandeln lassen wollen. Diese werden in speziellen Kliniken zwangsisoliert, denn Seuchenschutz steht juristisch über dem Willen des Bürgers. Ansonsten setzen viele ihre Hoffnung auf die Impfstoffforschung. Aber vorerst gilt, was Barbara Hauer anmahnt: "Man sollte wachsam sein."

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