Protest gegen Billiglöhne: EU-Gericht untersagt Boykottaktion

Schwedische Gewerkschaften dürfen Billiglohnfirmen aus dem Ausland nicht behindern.

FREIBURG taz Gewerkschaften dürfen ausländische Baufirmen nicht durch Boykottmaßnahmen zur Einhaltung inländischer Tarifverträge zwingen. Dies entschied am Dienstag der Europäische Gerichtshof in Luxemburg in einem Fall aus Schweden.

Konkret ging es um das lettische Bauunternehmen Laval, das 2004 mit lettischen Bauarbeitern im schwedischen Ort Vaxholm bei Stockholm eine Kaserne zu einer Schule umbauen wollte. Die schwedischen Gewerkschaften wollten Dumpinglöhne verhindern und forderten für ihre lettischen Kollegen die Zahlung schwedischer Löhne in Höhe von rund 16 Euro pro Stunde. Als es zu keiner Einigung kam, blockierten die schwedischen Baugewerkschafter alle Baustellen von Laval. Das lettische Unternehmen zog sich daraufhin vom schwedischen Markt zurück.

Auf Anfrage eines schwedischen Gerichts musste der EuGH nun entscheiden, ob die Arbeitskampfmaßnahmen zulässig waren. Eigentlich war mit einem gewerkschaftsfreundlichen Urteil gerechnet worden, nachdem der unabhängige Generalanwalt sich im Mai mit seinem Schlussplädoyer auf die Seite der schwedischen Bauarbeiter gestellt hatte.

Der EuGH betonte nun zwar, dass das Streikrecht ein europäisches Grundrecht ist. Im Laval-Fall streikten die Bauarbeiter aber nicht gegen den eigenen Arbeitgeber, sondern boykottierten eine ausländische Firma, um gleiche Löhne für deren nicht streikende Arbeiter zu erzielen. Dies hielt der EuGH für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit der lettischen Baufirma.

Die Richter verwiesen auf die EU-Entsenderichtlinie, wonach Mindestlöhne nur vom Staat festgesetzt werden können, entweder direkt, oder indem er Tarifverträge für die ganze Branche für verbindlich erklärt. In Schweden gibt es beides nicht, vielmehr sollten die starken Gewerkschaften mit Billigung des Staates hohe Standards auch bei ausländischen Baufirmen durchsetzen.

"Der EuGH hat damit gegen das nordische Sozialmodell entschieden, das sich auf mächtige Gewerkschaften stützt", analysierte gestern der Heidelberger Europarechtler Jürgen Bast. In Schweden ist die Empörung entsprechend groß. Lars Ohly, der Vorsitzende der dortigen Linkspartei, sagte: "Es ist Zeit, die EU zu verlassen." Der Europarechtsprofessor Ulf Bernitz erwartet dagegen, dass jetzt auch in Schweden über Mindestlöhne diskutiert wird.

Für Deutschland hat das EuGH-Urteil nur geringe Auswirkungen. Hier werden Mindestlöhne für ausländische Baufirmen im Entsendegesetz festgelegt. Und auch in anderen Branchen sind gewerkschaftliche Boykottmaßnahmen gegen ausländische Firmen bisher nicht bekannt.

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