Kinderbetreuung: Tagesmütter haben immer mehr zu tun

Die Zahl der fremdbetreuten Kinder steigt rasant an. Allerdings nicht, weil der Ausbau von Kindertagesstätten gut funktioniert. Die Ersatzmütter machen vielmehr das Rennen.

Kindermangel: Eine Menge Einrichtungen sind nicht mehr ausgelastet Bild: ap

Die Zahl der Kleinkinder, die außer Haus betreut werden, ist deutlich gestiegen. Das vermeldete am Mittwoch das Statische Bundesamt. Gerade der Westen des Landes, oft für sein kärgliches Krippenangebot gescholten, holt ein wenig auf. Hier stieg die Zahl betreuter Kinder gegenüber dem Vorjahr um mehr als 20 Prozent. Und selbst im gut bestückten Osten steigerte sie sich um 3 Prozent. Im Schnitt besucht jedes sechste Kind unter drei Jahren die Kita oder eine Tagespflegestätte.

Was wirkt wie ein Beleg, dass der Kitaausbau endlich an Schwung gewinnt, ist in Wahrheit differenzierter zu betrachten. Denn die neuen Zahlen offenbaren, auf welchen Schultern der Ausbau derzeit vor allem ruht: auf denen von Tagesmüttern. Sie betreuten 2007 ein Drittel mehr Kinder als im Jahr zuvor. Die Zahl der Kinder in Kitas stieg dagegen nur um 10 Prozent. Aber auch das bedeutet nicht, dass für diese Kinder reihenweise neue Krippen geschaffen wurden. "Der Geburtenrückgang spielt eine wichtige Rolle", sagt Dorothee von Wahl vom Statistischen Bundesamt. Es gebe vielerorts nicht mehr genügend Kinder im "klassischen Kindergartenalter", also zwischen drei und sechs Jahren. "Eine Menge Einrichtungen sind nicht mehr ausgelastet. Um sich überhaupt halten zu können, nehmen sie dann auch Kinder unter drei mit auf."

Hinter dem Trend verbergen sich zudem erhebliche regionale Unterschiede. In Hessen, Niedersachen, Baden-Württemberg und Bayern werden rund ein Drittel mehr Kleinkinder außer Haus betreut als 2006. Nordrhein-Westfalen dagegen hat das Angebot kaum ausgeweitet.

Die neuen Zahlen sollten zudem nicht darüber hinwegtäuschen, wie unzureichend das Angebot nach wie vor ist, sagt Isabell Zacharias vom Bayerischen Elternverband. "Die Plätze reichen hinten und vorne nicht. Die Mütter sind oft richtig verzweifelt. In München haben viele Kitas enorme Wartelisten". Und wer auf dem Land wohnt, müsse oft sehr weit fahren, um überhaupt zu einer Kita zu gelangen.

Überdies gibt es ein Bundesland, in dem die Entwicklung genau in die umgekehrte Richtung geht: In Thüringen werden jetzt 2,3 Prozent weniger Kinder betreut als noch ein Jahr zuvor. Experten vermuten, dass dies einen ganz konkreten Grund hat: In diesem Bundesland ist das Betreuungsgeld schon eingeführt, das derzeit auf Bundesebene diskutiert wird. Seit 2006 erhalten Thüringens Eltern mindestens 150 Euro pro Monat, wenn sie ihr Kind zu Hause lassen, statt es in die Kita zu schicken. Kritiker befürchten, dass Kinder, die ohnehin benachteiligt sind, so weiter abhängt werden - weil 150 Euro mehr in der Kasse vor allem für arme Eltern einen Anreiz darstellen. Laut Thomas Rauschenbach, Leiter des Deutschen Jugendinstituts, bestehe die Gefahr, dass Eltern "aus wirtschaftlicher Not auf einen Krippenplatz verzichten" - und nicht etwa aus pädagogischer Überzeugung.

Eine detaillierte Auswertung, wer in Deutschland wie betreut wird, wollen die Statistiker im nächsten Jahr vorlegen.

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