Lettlands Regierungschef Godmanis: Der Rockopa von vor 17 Jahren

Lettlands diskreditierte Parteien einigen sich auf Ivars Godmanis als Regierungschef. In dem Amt hatte er einst seine politische Laufbahn begonnen.

Er soll sich noch einmal bewähren: Ivars Godmanis Bild: rtr

STOCKHOLM taz Das lettische Parlament hat am Donnerstag einer neuen Mitte-rechts-Regierung unter der Führung von Ministerpräsident Ivars Godmanis zugestimmt. 15 der 19 Minister der vor zwei Wochen zurückgetretenen Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Aigars Kalvitis bleiben dabei im Amt. Die 100 Abgeordneten stimmten mit 54 zu 43 Stimmen für die neue Regierung, die fehlenden waren ungültig oder Enthaltungen.

Kalvitis verfügte zwar über eine Mehrheit im Parlament, hatte seinen Rücktritt jedoch schon im vergangenen Monat angekündigt. Seine Regierung war wegen der Entlassung eines populären Anti-Korruptions-Ermittlers und wegen der steigenden Inflation heftig in die Kritik geraten. Die Inflation hatte im November in Lettland 13,7 Prozent erreicht, das war der höchste Wert für ein Land in der Europäischen Union. Godmanis Regierung ist die 14. des Landes seit der Unabhängigkeit vor 16 Jahren.

Mit 56 Jahren gilt Ivars Godmanis in Lettland bereits als politischer Veteran. Als Ministerpräsident soll er sich nun noch einmal in dem Amt bewähren, in dem seine politische Laufbahn vor 17 Jahren begonnen hatte. Da hieß das noch "Vorsitzender des Ministerrats". Und in der schwierigen Übergangsphase, bis die Sowjetunion im August 1991 die Unabhängigkeit Lettlands anerkannte, stand Godmanis an dessen Spitze.

Damals begründete er seinen Ruf als "Haudegen" - im positiven wie negativen Sinn. Er hatte nämlich die Vorstellung, man könne eine sozialistische Planwirtschaft quasi über Nacht in eine kapitalistische Marktwirtschaft verwandeln. Resultat waren ein wirtschaftliches Chaos und eine Verarmung weiter Teile der Bevölkerung.

Seine "Volksfront", die Lettland in die Unabhängigkeit geführt hatte, verschwand bei den Wahlen 1993 aus dem Parlament und Godmanis von der politischen Bühne. 1998 tauchte er als Finanzminister dort vorübergehend nochmals für einige Monate auf, bevor er nach den Wahlen im Herbst 2006, mittlerweile zur konservativen Partei "Lettlands Weg" gewechselt, als Innenminister zurückkehrte.

Zwischendurch hatte der Mann mit dem weißen Bart verschiedene Posten in der Wirtschaft inne, machte sich seit 2003 aber vor allem als Discjockey und Rockopa einen Namen: Er leitet ein wöchentliches Rockprogramm beim populären Privatsender "Radio SWH".

Für die Vierparteienkoalition soll Godmanis retten, was schwer zu retten sein dürfte. Selbst in Lettland, wo die parteipolitischen Präferenzen der Bevölkerung sich traditionell wie auf einer Berg- und Talbahn bewegen, hat bislang kaum eine Regierungsbasis so schnell abgewirtschaftet wie die des Anfang Dezember wegen Korruptionsvorwürfen und Unfähigkeit von Massendemonstrationen aus dem Amt katapultierten Godmanis-Vorgängers Aigars Kalvitis.

Eigentlich wären Neuwahlen die beste Lösung gewesen, stattdessen bekommen die LettInnen passend zu Weihnachten nun nahezu die gleiche Regierung in neues Geschenkpapier verpackt und in Gestalt von Godmanis mit einem Mann an der Spitze, von dem sich Staatspräsident Valdis Zatlers "Reife und Erfahrung" erhofft - der aber bislang vor allem durch autoritären Führungsstil und Intoleranz auffiel und es sich deshalb mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen - von der russischen Minderheit bis zu Homosexuellen - gründlich verdorben hat.

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