Aufbäumen gegen Bayerns Rauchverbot: Wirte streiten bis zum letzten Zug

Mit dem Argument, die Liberalitas Bavariae sei bedroht, haben Wirte den Verein zum Erhalt der bayrischen Wirtshauskultur gegründet. Dessen Vierstufenplan tritt nun in Kraft.

Bayerns Wirte werden findig, wenn es darum geht, rauchende Kundschaft weiter bedienen zu dürfen. Bild: dpa

MÜNCHEN taz Noch wenige Tage, dann hat es sich von Gesetzes wegen ausgequalmt in Bayerns Wirtshäusern. Am 1. Januar tritt das schärfste Rauchverbot in Kraft, nicht mal in Nebenräumen darf dann noch geraucht werden. Doch nun haben sich die qualmenden Grummler mithilfe der FDP formiert, um den Freistaat zu schrecken.

Das Gesetz: In vielen Bundesländern treten am 1. 1. Gesetze in Kraft, die Nichtraucher schützen sollen. In Niedersachen, Baden-Württemberg und Hessen gibt es sie bereits. Zum 1. Januar folgen Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Bremen und Sachsen-Anhalt. Dort wird Rauchen nicht nur in Bildungs- und Sportstätten sowie Kliniken untersagt, sondern auch in Gaststätten, Bars und Diskos. In Mecklenburg-Vorpommern wird eine bestehende Regelung zum 1. 1. um die Gastronomie ergänzt. Sachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland folgen im Februar, Thüringen zum 1. Juli.

Die Gegner: Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband will nun einen Wirt bei seiner Klage vor dem Bundesverfassungsgesetz unterstützen. Wirte, so die Argumentation, seien in ihrer Berufsfreiheit und ihren Eigentumsrechten behindert, eine Umfrage in Baden-Württemberg habe ergeben, dass zwei Drittel der Kneiper 20 Prozent weniger einnehmen.

Die Befürworter: Die Drogenbeauftragte sieht der Klage gelassen entgegen. In Niedersachsen hätten bei einer Befragung 28 Prozent der Wirte gesagt, sie hätten 10 Prozent und mehr Umsatzrückgänge. 60 Prozent gaben an, sie stellten keinen Unterschied zu vorher fest. RTR

Auf ziviler Ebene wird kräftig gestritten, die Front verläuft zwischen Rauchern und den verbündeten Gastwirten auf der einen und der CSU auf der anderen Seite. An vorderster Front mit dabei ist Franz Bergmüller, Wirt des gleichnamigen Lokals im oberbayerischen Unterlaus, gelegen auf halbem Weg zwischen München und Rosenheim. Der taz sagt der frisch gekürte Vorsitzende des gerade erst gegründeten "Vereins zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur": "Wir organisieren uns weiter!" Mittlerweile habe man gar einen "Vierstufenplan" ausgeheckt.

Stufe eins gehört zum Einmaleins der Lobbyarbeit: die bayernweite Vernetzung. Da sei man auf einem guten Weg, versichert Bergmüller.

Stufe zwei ist klug gewählt. "Wir brauchen möglichst viele Unterstützer", meint der frischgebackene Lobbyist, "das heißt, wir müssen wegkommen vom reinen Raucherkampf." Die Mobilmachung, auf die Bergmüllers Leute hoffen, soll über einen altbewährten bayerischen Kunstgriff gelingen: den Verweis auf die bedrohte Liberalitas Bavariae. Der totale Nichtraucherschutz greife viel zu weit in die Persönlichkeitsrechte ein, so die Gastwirte, die Rauchen als Kulturhandlung sehen. Passend zu den Bürgerrechtsgeschützen habe es schon Gespräche zwischen den Raucherlobbyisten und der FDP gegeben, so Bergmüller. Und bei der Demo des Wirtshausvereins, die ganz bieder, aber um so verqualmter Mitte Dezember mit 1.000 Unterstützern im Münchner Löwenbräukeller stattfand, sprachen die Liberalen dann auch als einzige Partei. Ein dreiviertel Jahr vor der bayerischen Parlamentswahl wittert die FDP ihre Chance, mithilfe der Raucher endlich wieder ins Maximilianeum einzuziehen.

Tatsächlich sind viele altgediente CSUler stocksauer auf die christsozialen Gesundheitsfanatiker "drunten in München", im Landtag. Raucher-Lobbyisten nehmen dem neuen CSU-Fraktionschef Georg Schmid übel, dass er - wohl vor allem aus Profilierungsgründen - einen recht liberalen Gesetzentwurf der Staatskanzlei zum härtesten Nichtraucherschutz Deutschlands verkehrte. Nun bleiben ab Januar den Rauchern nur noch ein paar halböffentliche Räume, wie die Münchner Boulevardblätter nicht müde werden zu melden, darunter die Arbeitsräume von Huren - nicht zu verwechseln übrigens mit den Anbahnungsräumen, wo ja zumeist Barbetrieb stattfindet.

CSU-Mitglied und Nichtraucher Franz Bergmüller, Nichtraucher und seit 25 Jahren CSU-Mitglied, mag so viel Gängelei nicht hinnehmen. "Ich erkenne mich nicht wieder", sagt er, "ich sehe die liberale Haltung nimmer!" Deswegen eben das Angebandel mit der FDP, die Bergmüller als einzig relevante politische Unterstützung nennt.

Weil eine Änderung des Gesetzes ungewiss ist, gibt es im Raucherplan die Stufe 3. "Handlungsempfehlungen" heißt die. Die Idee ist dieselbe wie bei den Schischa-Bars (siehe Text unten): Alle Stammtischmitglieder und Vereinsbrüder werden Jahresmitglied in Rauchervereinen, deren Treffen werden zu geschlossenen Club-Gesellschaften erklärt - und das Rauchverbot ist ausgehebelt.

Bei Bergmüller könnte das die Freiwillige Feuerwehr Unterlaus sein. Ende Januar kommen deren Mitglieder abends bei ihm im Speisestüberl zusammen. Die fade Zeit zwischen TOP 1 "Begrüßung" und TOP 9 "Verschiedenes und Wünsche" will überbrückt sein, mit Bier, aber wohl auch mit Qualm. Ob Bergmüller das duldet, lässt er offen. "Sicher werden sich einige bayerische Wirte über den Trick mit den Vereinsmitgliedschaften in den zivilen Ungehorsam begeben", sagt er. Allerdings dürfte es bei der ersten Sitzung noch nicht allzu viel Ärger geben. Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU), ein Gegner des Totalverbots, hat eine sechswöchige Übergangsfrist angekündigt.

"Ein Schmarrn ist das", sagt Bergmüller, er verweist auf Kampagnenstufe vier. Die sieht eine Unterstützung von Privatklagen gegen das Rauchverbotsgesetz vor. Möglichst bald möchte Bergmüller ein landesweites Volksbegehren einleiten, 38.000 Stimmen will der Verein schon gesammelt haben. Für die Freiheitskämpfer wieder ein Beweis, dass sie in der Mehrheit sind.

Doch es ist zumindest zweifelhaft, ob die Mehrheit wirklich bei den neoliberalen CSU-Grantlern liegt. Viele Umfragen sagen etwas anderes. Auch in den gut laufenden Diskussionsforen bayerischer Lokalzeitungen macht die Raucherlobby kaum einen Stich. Auch beim Praxistest in München gabs kaum Punkte für Raucher: In den letzten Wochen hatte der hippe und stets überlaufene Tollwood-Weihnachtsmarkt ein vorgezogenes Rauchverbot verhängt. Im Herzstück des Markttreibens auf der Theresienwiese, dem "Tief im Wald"-Zelt, sorgten drei Wochen lang gut ausgestattete Bars für den üblichen weihnachtlichen Alkoholpegel, als Neuerung gabs diesmal eine Raucher-Security: Schon nach wenigen Zügen hatte jeder Raucher einen Qualm-Sheriff an seiner Seite. Verdutzt drückten die allermeisten ihre Kippen aus. Die Betreiber des Tollwood sagen, den Besuchern habe das Nichtrauch-Reglement gefallen, zweieinhalbtausend Besucher hatten ihr Votum abgegeben. Die Nichtraucher bewerteten die Rauchfreiheit der Weihnachtszelte mit der Note 1,1, bei der Raucherfraktion dagegen reichte es mit einem 3,25 nur zu einem knappen "befriedigend". Geschlagen hat sich allerdings niemand.

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