Kommentar Gewalt gegen ETA-Gefangene: Bedrohter Rechtsstaat

Die Verletzungen, die das ETA-Mitglied Portu nach seiner Festnahme aufweist, deuten darauf hin, dass Innenminister und Ermittler den demokratischen Gleichheitsgrundsatz vergessen haben.

Eine der großen Errungenschaften des demokratischen Rechtsstaates ist die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Das gilt auch für diejenigen, die diesen Rechtsstaat und seine verbrieften Freiheiten mit Bomben und Genickschüssen bekämpfen. Doch Spaniens Polizei und ihr Dienstherr, Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba, scheinen dies vergessen zu haben.

Die Verletzungen, die das mutmaßliche ETA-Mitglied Igor Portu nach seiner Festnahme aufweist, sind nur schwer mit der von Rubalcaba postulierten "strikten Einhaltung der Legalität" zu vereinbaren. Ein paar Blutergüsse mögen ja noch auf den heftigen Widerstand des Verdächtigen bei seiner Verhaftung zurückzuführen sein. Aber eine gebrochene Rippe, eine perforierte Lunge und Luftansammlung im Körper sind Verletzungen, wie sie normalerweise nur bei schweren Autounfällen zu verzeichnen sind. Und selbst wenn diese Verletzungen - was sehr unwahrscheinlich ist - ebenfalls auf die harte Auseinandersetzung bei der Verhaftung zurückgingen, bleibt die Frage, warum Portu erst 15 Stunden später dem Arzt vorgeführt wurde. Sollten ihn die starken Schmerzen etwa weich kochen und so zu Aussagen bewegen?

Dank des Rechtsstaates und seiner Garantien könne Portu die mutmaßliche Misshandlung zur Anzeige bringen, ein Recht, das die Todesopfer der ETA nicht hätten, erklärte gestern eine den regierenden Sozialisten nahe stehende Radiostation. Aus dem Affekt gesprochen, ist dies ja richtig. Doch nun wirkt diese Aussage wie eine Rechtfertigung des Vorgehens der Polizei und führt damit die Demokratie ad absurdum. Denn im Gegensatz zu den routinemäßig erhobenen Foltervorwürfen seitens der ETA-Verdächtigen schaffen berechtigte Anzeigen wie die von Portu neue Opfermythen. Und von diesen lebt ETA.

Bleibt zu hoffen, dass Innenminister Pérez Rubalcaba sein Versprechen wahr macht und mit den ermittelnden Richtern in San Sebastián eng zusammenarbeitet. Das Verfahren darf nicht wie sonst leider üblich jahrelang verschleppt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.