Mindestlohn bei Landesaufträgen: Land wacht schärfer über Löhne

Wirtschaftssenator Wolf will einen Mindestlohn von 7,50 Euro für alle Branchen ab März. Senatoren sollen so lange mit der Vergabe von Aufträgen warten.

Rumstehen soll sich wieder lohnen: Wachschützer vor einer Schule in Berlin-Neukölln Bild: Reuters

Der Kontrolleur, der sich im Auftrag der BVG die Fahrscheine zeigen lässt, verdient nach Tarif 5,25 Euro pro Stunde. Die Gärtnerin, die die städtischen Baumringe von Unkraut befreit, arbeitet für einen Stundenlohn von 5,46 Euro. Eine Reinigungskraft, die im Auftrag der Senatsverwaltung putzt, verdient dagegen seit Juli vergangenen Jahres 7,80 Euro pro Stunde. Was für die Gebäudereiniger gilt, soll ab März für alle Branchen gelten: Private Unternehmen, die Aufträge von der öffentlichen Hand erhalten wollen, müssen sich verpflichten, ihren Mitarbeitern dafür mindestens 7,50 Euro pro Stunde zu zahlen. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) hofft, dass das neue Vergabegesetz rasch vom Abgeordnetenhaus verabschiedet wird.

Eine verbindliche Lohnuntergrenze ist im Arbeitnehmerentsendegesetz für Dachdecker geregelt, für das Baugewerbe, für Abbruch- und Abwrackfirmen, Maler und Lackierer, Elektrohandwerker, Gebäudereiniger und seit neuestem auch für die Briefzusteller. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Arbeit gebe es in Berlin allerdings fast 50 Branchen, in denen tariflich vereinbarte Löhne von weniger als 7 Euro gelten, darunter Floristen, Friedhofsgärtner und Wachschützer. Berlin will als Arbeitgeber ab diesem Jahr mindestens 7,50 Euro zahlen.

Wolf will die bisherige Dumpinglohnstrategie des Landes Berlin damit beenden: "Das gegenwärtig noch geltende alte Vergabegesetz verlangt Tariftreue, fragt allerdings nicht, ob dieser Tariflohn auch existenzsichernd ist. Das ist einer der Gründe, warum wir im neuen Gesetz einen Mindestlohn festschreiben werden", sagte Wolf der taz.

Nach Angaben der Senatsverwaltung vergibt das Land jährlich Aufträge im Wert von 4 bis 5 Milliarden Euro an private Unternehmen. Die neue Regelung gelte dann auch für Subunternehmer, betonte Wolf. Firmen, die öffentliche Ausschreibungen gewinnen, müssten eine sogenannte Tariftreueerklärung unterschreiben. So soll verhindert werden, dass sie Aufträge an Unternehmen weiterreichen, die Billiglöhne zahlen.

Allerdings sind es auch die eigenen Unternehmen, die versuchen, den künftigen Mindestlohn noch schnell zu unterlaufen. Laut Berliner Zeitung hat die landeseigene Immobilienmanagement GmbH, einen Monat nachdem sich der Senat geeinigt hatte, seine Auftragsvergabe künftig an Mindestlöhne zu knüpfen, eine Wachschutzfirma zu den bisherigen Niedriglöhnen von 5,25 Euro engagiert. Die Verträge sind zwei Jahre gültig. Grüne und CDU warfen dem Senator daraufhin vor, leere Versprechen abzugeben und mit zwei Zungen zu sprechen.

Wolf will nun an die anderen Senatoren appellieren, die Vergabe öffentlicher Aufträge einstweilen zu stoppen. "Ich werde in der nächsten Senatssitzung meine Kolleginnen und Kollegen bitten, in ihren Verantwortungsbereichen die Möglichkeiten zu prüfen, ob und welche zurzeit laufenden Ausschreibungen und Vergabeentscheidungen bis zur Verabschiedung des neuen Gesetzes verschoben werden können", so der Wirtschaftssenator.

Die Eile der Unternehmen bei der Auftragsvergabe verwundert nicht. Zwar hofft Wolf, dass der Mindestlohn weitgehend kostenneutral für das Land wird. Doch Harald Olschok vom Bundesverband der Wach- und Sicherheitsunternehmen teilt diesen Optimismus nicht. Er rechnet in seiner Branche mit Preiserhöhungen von 30 Prozent (siehe Interview).

Bisher sind Mindestlöhne noch die Ausnahme in Berlin. Das Arbeitnehmerentsendegesetz listet nur eine Handvoll Branchen auf, in denen ein Stundensatz von mindestens 7,50 Euro festgelegt ist. Bei den Gebäudereinigern wacht die Innung darüber, ob der Tarif eingehalten wird. Die Branchenvertreter werden allerdings nur dann aktiv, wenn Arbeitnehmer sich beschweren. "Die Zahl der Beschwerden hält sich in Grenzen", so Geschäftsführerin Erika Schönenberg. Unstimmigkeiten geben die Mitarbeiter an das Hauptzollamt Berlin weiter, das den betreffenden Betrieb überprüft. "Wir dürfen von Rechts wegen gar keine Kontrollen durchführen", erklärt Schönenberg.

Der Wirtschaftssenator will die Kontrollen verstärken. Er halte es für sinnvoll, im parlamentarischen Verfahren zu klären, ob Sanktionen nicht verschärft werden sollten und wie die Kontrolle möglichst wirkungsvoll ausgestaltet werden kann, sagte Wolf. Zum Beispiel durch eine eigenständige Kontrollstelle.

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