Kommentar Ramelow-Urteil: Unter falschem Extremismusverdacht

Das Ramelow-Urteil bedeutet nicht, dass die gesamte Linkspartei von nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf. Dabei ist die Partei gar nicht verfassungsfeindlich.

Die Linksfraktion hat keinen großen Anlass zum Jubeln. Zwar hat das Verwaltungsgericht Köln nun entschieden, dass ihr Fraktionsvize Bodo Ramelow nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf. Fast alle wesentlichen Fragen hat es dabei aber offen gelassen. Schon die Gründe, warum Ramelow nicht mehr beobachtet werden darf, bleiben nebulös und sollen erst im schriftlichen Urteil konkretisiert werden.

Eine nahe liegende Begründung wäre, dass es bei Abgeordneten vor allem auf die Person ankommt: nur wer selbst Extremist ist, dürfte dann vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Die Mitgliedschaft in einer extremistischen Partei würde bei Abgeordneten nicht genügen. Erst recht nicht die Mitgliedschaft in einer Partei, in der auch eine extremistische Minderheit geduldet wird. Das Prinzip "mitgefangen - mitgehangen", mit dem der Verfassungsschutz bisher die Überwachung Ramelows begründete, hätte dann ausgedient.

Ob Abgeordnete überhaupt überwacht werden dürfen, hat das Gericht offen gelassen. Wenn man aber einen Verfassungsschutz für notwendig hält, dann wird man auch Abgeordnete nicht völlig freistellen können: Auch ein gewählter Extremist bleibt ja ein Extremist. Es wäre ja auch absurd, wenn etwa im Verfassungsschutzbericht von Sachsen alles über die NPD stünde, nur ihre Parlamentsarbeit dabei nicht erwähnt würde. Allerdings muss sichergestellt sein, dass die Abgeordneten von (noch) nicht verbotenen Parteien nur offen beobachtet werden - und nicht mit V-Leuten, Wanzen und Telefonüberwachung.

Allerdings sollte "Die Linke" schleunigst aus den Verfassungsschutzberichten gestrichen werden. Sie vertritt linkssozialdemokratische Ziele, sie steht zum Grundgesetz, und mit der "Überwindung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung" vertritt sie ein zulässiges Ziel. Die Linke ist zwar oft unerträglich populistisch. Aber etablierte Politiker wie Roland Koch sind das schließlich auch. Es ist schade, dass das Verwaltungsgericht Köln den Fall Ramelow nicht genutzt hat, um dies endlich klarzustellen. CHRISTIAN RATH

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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