Chris Kraus - Regisseur und Drehbuchautor: "Ich durfte mein Buch verfilmen"

"Ich habe Angst vor Leuten, die immer nett sein wollen": Regisseur Chris Kraus über Lächler, Küsser und Masseure im Filmgeschäft und seine erste Fernseharbeit - "Bella Block: Reise nach China".

Hannah Herzsprung (l) und Monica Bleibtreu (r) in Chris Kraus Gefängnisfilm "Vier Minuten". Bild: dpa

taz: Herr Kraus, sind Sie ein Kämpfer?

Kraus: Ich glaube, dass jeder ein Kämpfer sein muss, der eigene Geschichten erzählen will. Du musst bereit sein, dich mit Leuten anzulegen. Das ist zwar nicht der Sinn des Berufs, aber es gehört dazu.

Können Sie auch ein Wadenbeißer sein?

CHRIS KRAUS, 1963 geboren, ist Autor und Regisseur. 2002 verfilmte er seinen Roman "Scherbentanz". Sein zweiter Film, "Vier Minuten", bekam 2007 den Deutschen Filmpreis.

Ich tue mich schwer mit diesen Zuschreibungen. Ich selbst sehe mich eher als Bärchen.

Wie äußert sich das?

Ich habe immer zu den Grummlern gehört. Im Filmgeschäft ist man ja von Lächlern und Küssern umgeben. Jeder Mensch ist doch eine ambivalente Figur. Deswegen habe ich Angst vor Leuten, die immer nett sein wollen. Das sind die Massierer.

Massierer?

Eine Zeit lang wurde an Filmsets unglaublich viel massiert. Bei "Scherbentanz" hatten wir eine eigene Masseuse, damit sich alle wohl fühlen. Und wenn die mal nicht da war, haben sich die Leute gegenseitig massiert. Das hat mich irre gemacht.

Als "Scherbentanz", Ihr Debütfilm, 2002 ins Kino kam, waren Sie schon fast 40. Warum hat das so lange gedauert?

Weil ich zuerst gar nicht Regisseur werden wollte.

Aber Sie haben doch Regie studiert.

Ja, aber vor allem, weil es Anfang der Neunziger noch keine Drehbuchstudiengänge gab. Ich wollte immer Drehbücher schreiben. Woody Allen war mein Idol. Als ich an die Schule kam, hatte ich deswegen sofort viele neue Freunde, weil alle Drehbücher haben wollten.

Klingt nach einer komfortablen Basis. Warum sind Sie dann doch Regisseur geworden?

Aus Verzweiflung. Weil ich gemerkt habe, dass es schier unmöglich ist, die eigenen Geschichten gegen Regisseure, Produzenten und koproduzierende Sender durchzusetzen. Also habe ich mir gesagt: So schlecht wie andere kannst du das auch, und dem SWR das Buch zu "Scherbentanz" geschenkt. Unter der Bedingung, dass man mir die Regie anvertraut.

"Scherbentanz" war ein Kritikerliebling, den aber nur 30.000 Kinozuschauer sehen wollten, "Vier Minuten", ihr zweiter Film, wurde mit Preisen überhäuft und war auch ein großer Publikumserfolg.

Das ist ein großes Wunder - vor allem wenn man bedenkt, dass meine Karriere als Kinoregisseur zwischenzeitlich schon wieder beendet zu sein schien, weil wir mit dem Rohschnitt von "Vier Minuten" überall durchgerasselt sind. Zum Glück bekam ich aber zu dem Zeitpunkt das Angebot, einen "Bella Block"-Film zu drehen, eine Krimireihe, die ich vorher, ehrlich gesagt, überhaupt nicht kannte. Die Konditionen waren gut: Ich durfte mein eigenes Buch verfilmen, mit Schauspielern und einer Crew, die ich mag. Es ist ein großes Geschenk, mit Leuten zu arbeiten, an die man glaubt und die einen nicht scheiße finden.

"Reise nach China" läuft am Samstag im ZDF. Wie streng waren die Vorgaben des Senders, was Figuren und Plot angeht?

Es gab keine. Man darf ja nicht vergessen, dass Hannelore Hoger und die Figur Bella Block ziemlich viel verbindet. Dieses Grummelige, Schlechtgelaunte, dann wieder überbordend Herzliche, diese Sensibilität und Bescheidenheit - das ist ja nicht erfunden. Ich bewundere Hannelore Hoger und auch Devid Striesow, dem ich deswegen in meinem Film einen für einen Assistenten ungewöhnlich großen Part eingeräumt habe.

Sie haben sich also nicht eingeengt gefühlt?

Überhaupt gar nicht. Null. Das war mein Horror gewesen, der sich zum Glück nicht bewahrheitet hat. Die einzigen Schwierigkeiten traten auf, weil ich meine Arbeitsweise beibehalten habe. Ich arbeite viel mit Schauspielern, was bedeutet, dass nicht nach neun Stunden Schluss ist.

Seltsam. Ich habe gehört, dass der Film im ZDF erbitterte Gegner hatte und nicht ausgestrahlt würde, wenn er nicht bei den Internationalen Hofer Filmtagen so erfolgreich gelaufen wäre. Alles Gerüchte?

Es stimmt, dass der Erfolg in Hof sehr wichtig für den Film war. Ich bin wirklich kein Angeber, aber er kam wahnsinnig gut an.

Sind weitere TV-Projekte in Planung?

Nein. Ich inszeniere gerade mit Claudio Abbado die Beethoven-Oper "Fidelio", bereite den nächsten Kinofilm vor und sitze an einem Roman. Damit werde ich mich in den nächsten zwei Jahren beschäftigen. Und ob ich zu so tollen Bedingungen noch mal fürs ZDF arbeiten dürfte - das müssen Sie den Sender fragen.

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