Opposition gewinnt Wahlen in Pakistan: "Misstrauensvotum gegen Musharraf"

Pakistans Wähler erteilen ihrem Präsidenten eine deutliche Absage. Trotzdem, so Asienexperte Wagner, hat Musharraf ein Ziel erreicht: Er hat eine Zweidrittelmehrheit der Opposition verhindert.

Großer Verlierer der Wahl: Pakistans Präsident Musharraf. Bild: dpa

taz: Herr Wagner, wie interpretieren Sie das Wahlergebnis?

Christian Wagner: Es ist eine Stärkung der Demokratie, denn die Opposition hat gewonnen. Allerdings ist nicht klar, ob sie dauerhaft zusammenarbeiten und Präsident Musharraf herausfordern kann.

Nawaz Sharifs Partei (PML-N) hat überraschend gut und die Islamisten haben sehr schlecht abgeschnitten. Warum?

Sharifs Partei profitierte davon, dass sie eine stärkere Frontstellung gegen Musharraf einnahm und - anders als die andere große Oppositionspartei, die PPP - nicht mit ihm kungelte. Sharif forderte auch am deutlichsten die Wiedereinsetzung des Obersten Richters. Die Islamisten waren nur bei der letzten Wahl 2002 ausnahmsweise stark, sonst waren sie traditionell immer schwach.

Ist das Wahlergebnis der Anfang vom Ende der Herrschaft Musharrafs?

Es ist ein Misstrauensvotum gegen ihn. Aber es bleibt offen, ob die neue Regierung - vorausgesetzt, sie ist eine Koalition aus den Oppositionsparteien PPP und PML-N - auf Konfrontation gegenüber dem Präsidenten setzt oder auf Kooperation. Momentan sieht es nur nach einer einfachen Mehrheit der beiden Oppositionsparteien aus. Damit scheidet ein Amtsenthebungsverfahren gegen Musharraf aus. Er hat damit ein wichtiges Ziel erreicht, nämlich dass die Opposition keine Zweidrittelmehrheit bekommt. Musharraf hat weiter eine starke Position, weil er den Premierminister entlassen und das Parlament auflösen kann.

Können die beiden bisherigen Oppositionsparteien mit ihrer Parlamentsmehrheit nicht den von Musharraf entlassenen Obersten Richter Chaudhry wieder einsetzen, sodass diese Musharrafs Wahl im Oktober für verfassungswidrig erklären kann?

Sie haben allein dazu keine Möglichkeit, auch eine Klage beim Obersten Gericht ist wenig erfolgversprechend, weil es aus von Musharraf handverlesenen Richtern besteht. Mir scheint nur Druck der Straße aussichtsreich.

Musharraf wurde durch diese Wahl geschwächt. Was bedeutet das für den "Krieg gegen den Terror"?

Der wird durch die Wahl gestärkt, weil die jetzt gewählte Regierung von der Bevölkerung legitimiert und politisch liberal ausgerichtet ist. Sie kann neue politische Initiativen in der afghanischen Grenzregion starten und den Kampf des Militärs gegen Extremisten unterstützen.

Wie wird sich die mächtige Armee jetzt verhalten?

Sie wird sich von den Wahlsiegern auch weiter nicht kontrollieren lassen und weiter den Rahmen für Demokratie vorgeben.

In den Stammesregionen nahe der afghanischen Grenze ist die Armee sehr unbeliebt.

Die künftige Regierung könnte jetzt dort mit Entwicklungsleistungen auch den politischen Kampf gegen den Extremismus stärken, zumal jetzt deutlich geworden ist, wie wenig Rückhalt die Extremisten wirklich haben.

Sind die USA gescheitert, weil ihr Partner Musharraf jetzt geschwächt wurde?

Nein, denn die Wahlen waren der erste demokratische Machtwechsel in Pakistans Geschichte. Sicher haben die USA ursprünglich Benazir Bhutto als Premierministerin favorisiert, aber Washington kann auch mit einer liberalen Koalitionsregierung leben. Und weil diese aus unterschiedlichen Parteien besteht, könnte sie Musharrafs Rolle sogar noch stärken.

Steht Pakistan jetzt also weitere Instabilität bevor?

Das hängt davon ab, ob sich die beiden bisherigen Oppositionsparteien zusammenraufen. Die Wahlen sind zwar die ersten in Pakistan, die zu einem regulären Regierungswechsel führen, aber sie sind keine Zäsur. Es sind die gleichen alten Parteien mit ihren Führern da, die wohl die gleiche Politik machen werden. Wir sind wieder da, wo wir 1999 vor Musharrafs Putsch waren.

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