Tokio Hotel erfolgreich in Amerika: Monsun in Übersee

Die ostdeutsche Band Tokio Hotel hat nun auch in den USA einen Hype ausgelöst. Wie hat sie das geschafft?

Irgendwas zwischen Manga und Transgender: Bill Kaulitz. Bild: dpa

Tokio Hotel blöd zu finden, ist zu einfach. Ältere Menschen fanden damals auch die Beatles nicht toll und heute gelten sie als Ikonen der Musikgeschichte. Doch es gibt einen bedeutenden Unterschied zwischen damals und heute: Die Liverpooler Pilzköpfe mussten lange Zeit Überzeugungsarbeit durch Live-Auftritte leisten, heutzutage scheinen Fans auf anderem Wege Zugang zu finden: Online wurde Tokio Hotel von amerikanischen Teens bereits tausendfach downgeloaded und gut gefunden, bevor die Band überhaupt das erste Mal amerikanischen Boden betrat.

Was die Magdeburger mit den Beatles gemein haben: Sie lassen sich als Phänomene bezeichnen. Wer das bei Tokio Hotel bestreitet, outet sich als Ignorant. Denn phänomenal ist alleine, dass der Erfolg der Band in Übersee weniger auf ausgeklügelten Managementstrategien basiert, sondern mehr auf Glück. So gab der Produzent und Manager von Tokio Hotel zu: "Wir haben überhaupt keine Werbung hier gemacht, der Hype hat sich von alleine entwickelt." Also ein Selbstläufer - ohne Internet kaum möglich!

Was weiterhin die Frage offenlässt: Was ist dran an den Jungs um Frontsänger Bill Kaulitz? Dieter Bohlen bezeichnete sie als "echte Stars" und als "Gottesgeschenk". Doch ein positives Urteil von Bohlen bestärkt ja eher noch die Ablehnung der Band durch aufgeklärte Überzwanzigjährige. Aber mit einem Satz hat er zugegebenermaßen Recht: "Bill und Tom haben eine Riesenoptik." Ist es das, was US-Jugendliche, die in einem unerschöpflichen Musikmarkt aufwachsen, an einer ostdeutschen Band schätzen? Die New York Times analysiert, Sänger Bill Kaulitz werde nicht ausschließlich als Sexsymbol gesehen, sondern auch als Identifikationsfigur und Vorbild: eine Person, die zwischen dem weiblichen Publikum und den plumpen Jungs der Band stehe. Dieses "Zwischen-den-Stühlen-Stehen" symbolisiert ja auch sein Äußeres, das irgendwo zwischen Manga und Transgender zu verorten ist. Auch amerikanische Kids haben keine Lust mehr auf gecastete Retortenbands. Tokio Hotels Geheimnis ist die Mischung aus gewöhnlichen Musikern und einem exotisch wirkenden Frontmann.

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