Vertrieb von Jazz-CDs: Do-it-Yourself mit Grenzen

Immer mehr Musiker gründen ihr eigenes Label. Der Vertrieb über das Internet gehört inzwischen dazu, bringt aber oft wenig Geld. So kämpft manch kleiner Betrieb um's Überleben.

Arrivierte Jazzgrößen wie Sonny Rollins müssen sich keine Sorgen machen. Bild: dpa

Fast lautlos trennen sich Künstler und Konzerne, um auf neuer Grundlage zu verhandeln. Nach jahrzehntelanger Kritik an der Musikindustrie, sie würde lediglich auf das große Geschäft aus sein und sich um künstlerische Inhalte nicht kümmern, scheint jetzt der Idealzustand angebahnt: Die Musiker gründen eigene Labels, produzieren ihre Aufnahmen selbst und halten die Rechte daran. Mit den einstigen Majors macht man Lizenzverträge für den mühsamen und meist schleppenden Vertrieb. Das spart Kosten und Illusionen - Musiker, die kein quantitativ nennenswertes CD-Publikum erreichen, bleiben da von vornherein außen vor. Der Vertrieb ihrer ambitionierten Produkte war schon immer das Problem, an dem viele kleine unabhängige Tonträgerfirmen scheiterten. Aber ist der neue Zustand wirklich so ideal?

Die Digitalisierung der Musik war für die Musiker bisher ein großer Reinfall, resümiert der New Yorker Gitarrist Marc Ribot. Der legale Download bringt keinen Ersatz für den Verlust aus dem Rückgang der CD-Verkäufe, die Tantiemen sind im Keller. Man müsse der Zukunft ins Auge schauen, rät Ribot: Wenn eine Musik keine Unterstützung im Markt oder durch die Öffentlichkeit mehr habe, könnte sie möglicherweise verschwinden.

Was von Ribot eher als Provokation denn als Resignation gemeint ist, korrespondiert mit dem, was der Trompeter Dave Douglas berichtet. Nach sieben Alben für den Musikkonzern BMG gründete Douglas 2005 sein eigenes Label greenleafmusic. Internet-Zugang und eine Kreditkarte ermöglichen, dass man seine CDs heute problemlos bestellen und dass man seine Musik als MP3-Files auch stückweise kaufen kann. Douglas konzentriert sich auf das Internet, um interessierte Menschen direkt ansprechen zu können. Er mache so die Erfahrung, sagt er, dass sich von Jahr zu Jahr immer mehr Leute daran gewöhnen, die Musik direkt von den Künstlern zu kaufen. Das ist natürlich ein großer Umdenkungsprozess, sein Label trägt sich nach eigenen Angaben jetzt schon selbst.

Der Schlagzeuger Billy Martin von Medeski, Martin & Wood konstatiert, dass die großen Labels versagt haben: Sie wüssten nichts mit ihrer Musik anzufangen und die Band hätte kaum etwas verdient. Man braucht heute kein großes Budget mehr, um eine tolle Platte zu machen, sagt Martin. Das Trio hat ein eigenes Studio in Brooklyn, wo sie ihre letzte CD eingespielt haben, aufgebaut haben sie das Studio mit den Einnahmen früherer Platten.

Um Größen wie Sonny Rollins, Dave Holland oder Dave Douglas müsse man sich keine Sorgen machen, wenn sie ihr eigenes Label gründen, sagt der New Yorker Saxofonist Rudresh Mahanthappa zu Recht. Sie könnten darauf aufbauen, dass man sie weltweit kennt, tatsächlich hätten sie jetzt größere Kontrolle über ihre Musik und verdienen möglicherweise auch mehr Geld damit. Als Newcomer macht man sich jedoch keinen Namen, wenn man das Label auch noch selbst betreibt. Musiker wie Tim Berne und John Zorn haben lange gebraucht, bis ihre jeweiligen Label so präsent geworden sind, wie man es heute kennt. Das berichtet auch Bruce Lee Gallanter, der mit der Downtown Music Gallery (DMG) einen der wenigen Läden in New York führt, wo man CDs von kleinen unabhängigen Labels kaufen kann.

Als John Zorn sein Label Tzadik gründete, fragt er Gallanther, ob er den Mailorder-Vertrieb übernehmen wolle. Von den mittlerweile über 500 Tzadic-Veröffentlichungen ist der übergroße Teil Avantgarde-Musik, und Zorn kümmert sich darum, dass alles erhältlich bleibt und jeder Künstler anständig bezahlt wird. Der Vertrieb war für Labels in der Vergangenheit immer das große Problem, sagt auch Gallanther. Doch jetzt mache das Internet es möglich, dass Musiker ihre Musik selbst produzieren und vertreiben können.

Ebay und Amazon nennt er als mögliche Vertriebspartner online, allein 60 Prozent seiner Verkäufe seien heute schon Mailorder. Wenn Gallanther neue CDs von unbekannten Künstlern in seinem wöchentlichen Newsletter, mit dem er 6.000 Abonnenten erreicht, bespricht, kann er daraufhin zwei bis fünf Stück verkaufen. Bei einer neuen Platte von bekannten Künstlern wie David S. Ware oder John Zorn seien es am nächsten Tag vielleicht 25, in der folgenden Woche noch mal 50 Stück. Seit kurzem macht die DMG auch Re-Issues von Alben, die nicht mehr erhältlich sind. Von Henry Threadgill hat er vier im Angebot, und Dave Douglas rief ihn kürzlich an, um zu fragen, ob er seine BMG-Platten, an denen er die Rechte hält, wieder veröffentlichen wolle. Die DMG realisiert solche Projekte stückweise dann von 50 bis 100, der Künstler bekommt 40 Prozent von dem 16 Dollar-Verkaufspreis.

Ganz anders hat das Piano Trio The Bad Plus die jüngsten Veränderungen innerhalb der Tonträgerindustrie zu spüren bekommen. Zu Beginn des Jahrzehnts wurden sie von Columbia Sony mit großem Marketingaufwand als die große Neuentdeckung des Jazz gefeiert - nur einen großen Deal habe es nie gegeben, erinnert sich The-Bad-Plus-Schlagzeuger Dave King. Man habe schließlich Sony gebeten, sie gehen zu lassen, weil sie wieder unabhängig sein wollten. Sony ließ der Band zwar die künstlerische Freiheit, doch schon nach Veröffentlichung der zweiten CD gab es kaum mehr Unterstützung und keine Werbung. Jetzt produzieren und besitzen The Bad Plus ihre Aufnahmen und lizenzieren sie in Europa an den Major Universal.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.