Kolumne Wechseljahr 2008: Skandal: Sexschnüffelei!

Warum McCain sich bei Obama entschuldigte - und was die New York Times damit zu tun hat.

Eine tolle Woche, eine schreckliche Woche. Für John McCain war sie eine Achterbahnfahrt.

Zu Beginn kam eine sehr schlechte Nachricht. Die renommierte New York Times druckte einen Artikel, in dem von einem möglichen - gerade im letzten Moment von seinen Mitarbeitern abgewendeten - Korruptionsskandal um McCain berichtet wurde. Angeblich hatte McCain vor acht Jahren zu viel Zeit mit einer viel jüngeren und sehr attraktiven Lobbyistin verbracht und währenddessen für ihre Klienten günstige Geschäftsbedingungen ermöglicht. Vielleicht war also sein Ruf als überparteilich erfolgreicher Kreuzzügler für ethische Regeln des Regierens doch nicht so wasserdicht. Es ging ein Schaudern durch McCains Wahlkampfstab.

Im Handumdrehen aber ging McCain in die Offensive gegen die New York Times. Die Radikalkonservativen, zuvor in Teilen voller Hass oder zumindest Ambivalenz angesichts McCains Kandidatur, waren total begeistert. Auf einmal eilten sie McCain zur Seite. Unerhört, was dieses liberale Schmutzblatt sich da mal wieder leistete! Gerüchte verbreiten! Sexschnüffelei! Die ehemals vergeblich gesuchte Versöhnung innerhalb des rechten Lagers schien besiegelt. Und - noch wichtiger - die Spenden für seinen Wahlkampf schnellten in die Höhe.

Nur fünf Tage später folgte der Hammer. McCains Stab, immer noch beflissen bemüht, Erzkonservative zu beruhigen und fester an ihren Mann zu binden, suchten sich einen bekannten Radio-shock jock, um eine McCain-Rede in Ohio einzuleiten und das Publikum "aufzuheizen." Dieser Mann, Bill Cunningham, tat dann auch sein Bestes. Er wiederholte obsessiv-höhnisch Barack Obamas zweiten Namen, Hussein, und malte aus, wie eine Obama-Präsidentschaft aussähe. Obama würde mit Vorliebe Ahmadinedschad, Kim Jong Il und Hisbollah besuchen, und sie würden alle gemeinsam Plätzchen und Sahne genießen und das Kumbaya-Lied singen.

McCain aber, im Nachhinein auf Cunninghams Rede aufmerksam gemacht, fand, dass das zu weit ging. Nicht wegen der Anspielung auf Vertraulichkeit mit Ahmadinedschad - das kam im anschließenden Medienaufruhr übrigens gar nicht vor -, sondern wegen des in den USA höchst politisch inkorrekten Schlags gegen die religiösen Sensibilitäten der Mitbürger durch die Wiederholung des Namens "Hussein." Obama sei ein Christ, wurde das Fernsehpublikum immer wieder aufgeklärt. Aber trotzdem, man möchte Muslime in den USA und anderswo nicht ärgern. McCain entschuldigte sich bei Obama und sagte, so etwas würde nie wieder passieren. Und auf einmal waren die Superrechten wieder stocksauer auf McCain. Empörend, dass der Mann vor den Liberalen so in die Knie ging!

Die Botschaft der rechten Meinungsmacher ist klar: Wenn McCain die leiseste Hoffnung hegen sollte, im November zu gewinnen, dann sollte er - bitte schön! - die Kernlektion der Bush-Cheney-Regierung lernen: Entschuldigen tut man sich nie.

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