Die Linkspartei in Hessen: Die Unverbindlichen

Die hessische Linkspartei will Andrea Ypsilanti wählen - und doch gleichzeitig Opposition bleiben. Fürs Erste jedenfalls.

Eine Partei, zwei Nelken: Die eine steht fürs Mitmischen, die andere fürs Opponieren. Bild: dpa

Marjana Schott ist entnervt. Die Abgeordnete der Linkspartei findet die Frage absurd, unter welchen Bedingungen sie einem rot-grünen Haushalt 2009 zustimmt. "Wenn ich wüsste, was in einem Dreivierteljahr ist, dann würde ich etwas anderes tun, als Abgeordnete zu sein", sagt sie.

Die sechs Abgeordneten der Linken haben derzeit praktische Probleme zu lösen. Zum Beispiel das Büro im Landtag einrichten. Ziemlich banal. Aber sie wissen erst seit gestern, dass auch von ihnen die Zukunft Andrea Ypsilantis abhängt. Und vielleicht die nähere Zukunft der SPD. Und ob Rot-Rot-Grün ein Fiasko wird. Ein offizielles Gesprächsangebot von der SPD gibt es noch gar nicht. Aber, so Fraktionschef Willi van Ooyen zur taz, der Umgangston "ist wieder normal geworden, wenn man sich mal auf dem Flur trifft".

Vieles ist noch unklar. So hatte Linke-Parteichef Ulrich Wilken angekündigt, dass die Fraktion ohne jede Bedingung das rot-grüne Kabinett wählen werde. Bei der Vize-Fraktionschefin und Parteilinken Janine Wissler klang das anders: Man habe Vorbehalte gegen bestimmte Minister. Der hessische Grünenchef Tarik Al-Wazir konterte bereits, man werde sich von der Linken nichts diktieren lassen. Ex-Linksruck-Mitglied Wissler meint dazu: "Al-Wazirs Äußerung ist arrogant. Rot-Grün sollte von seinem hohen Ross herunterkommen. Rot-Grün hat keine eigene Mehrheit."

Willi van Ooyen glättet die Wogen. "Wir wissen, dass sechs Abgeordnete nicht die Richtlinien der Politik bestimmen können." Natürlich wolle man, dass Rot-Grün mit der Linksfraktion vor der Ministerwahl redet. Das sei einfach eine Stilfrage. Die Linksfraktion werde aber die rot-grünen Minister ohne Bedingungen wählen. Zumal man ja, wenn die Linke Bedingungen stelle, "schon mitten in einer Tolerierung" sei. Und eine enge Zusammenarbeit, so die Linksfraktion in Hessen einmütig, will man nicht. Jedenfalls noch nicht. Jetzt, so van Ooyen, werden "wir nüchtern über den nötigen Nachtragshaushalt reden und wie man die Abschaffung der Studiengebühren auf den Weg bringt". Der Haushalt 2009 als mögliche Bruchstelle für Rot-Rot-Grün? Fraktionschef van Ooyen winkt ab: "Wir sind ja noch nicht mal dazu gekommen, den jetzigen Haushalt genau durchzulesen."

Die Botschaft der Linksfraktion aus Wiesbaden ist klar. Erst mal langsam. Erst mal miteinander reden. Erst mal Ypsilanti wählen. Ob es später eine Tolerierung gibt, ob es dann einen Mitgliederentscheid der Partei geben wird? Ob der Haushalt 2009 gelingt? Willi van Ooyen sagt: "Ich bin kein Wahrsager. Ich weiß nicht, was wäre, wenn. Ich weiß, dass ich jetzt den Ostermarsch vorbereiten muss." Diese Gelassenheit passt keinesfalls zu dem rasanten Tempo, das die Debatte prägt, seit Ypsilanti ankündigte, eine rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden. Der hessische Parteirechte Jürgen Walter macht sich schon Gedanken, wie eine engere Zusammenarbeit mit den Linken aussehen kann, und fordert ihr Ja zum Haushalt 2009.

Doch verständlich ist die Zurückhaltung der hessischen Linksfraktion schon. Vorgestern war die Linksfraktion noch der Paria, mit dem außer den Grünen niemand offiziell etwas zu tun haben wollte. Heute sind sie, ohne eigenes Zutun, die Königinnenmacher.

Jenseits von Wiesbaden denkt man in der Linkspartei schon weiter. Viel weiter. Im Westen sagen viele, dass eine Duldung von Rot-Grün in Hessen zu wenig ist. Einige reden sogar vom Mitregieren. Parteichef Gregor Gysi erklärte gestern in Berlin, dass es auf eine "faktische Tolerierung" und enge Zusammenarbeit mit Rot-Grün hinauslaufen müsse. Ob es auch, so wie in Sachsen-Anhalt in den 90er-Jahren, sogar einen Tolerierungsvertrag gebe, sei nicht so wichtig. Aber ohne verlässliche Zusammenarbeit mit Rot-Grün, so Gysi, wird dieses Modell nicht klappen. Ypsilantis Idee, wirklich mit wechselnden Mehrheiten, also auch mit CDU und FDP, zu regieren, sei "naiv". Doch genau dies will die hessische Parteilinke Janine Wissler: keine Tolerierung, keine feste Anbindung an die Regierung, sondern wechselnde Mehrheiten. "Wir sind nicht Rot-Grün gegenüber loyal, sondern unseren Wählern", so Wissler zur taz.

Die Konfliktlinie, die sich da abzeichnet, lautet: Die Linkspartei in Berlin will mehr Nähe zu Rot-Grün als die in Wiesbaden.

Zudem gibt es für Gysi eine Voraussetzung, dass die Linkspartei Rot-Grün in Hessen unterstützt. Der Verfassungsschutz in Hessen dürfe die Linkspartei "nicht länger beobachten". In dieser Frage ist Willi van Ooyen allerdings weit entschiedener. Bei den Beratungen zum Haushalt 2009 werde die Linksfraktion vorschlagen, den Verfassungsschutz in Hessen abzuschaffen. Damit könne man doch Geld sparen.

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