Leistung aus dem Reagenzglas: Rekorde durch Gendoping

Schon bald könnten Sportler ihree Triumphe Genmanipulation verdanken. Noch ist kein Fall bekannt geworden. Doch "Gendoping ist eine reale Gefahr", warnen Forscher.

In Urin und Blut ist Gendoping kaum nachweisbar. Bild: dpa

Wie bereiten sich Sportler zurzeit eigentlich auf die Olympischen Spiele in Peking vor? Etwa im Genlabor? Möglich könnte das sein. Zumindest wollen das die Experten vom Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, kurz TAB genannt, nicht ganz ausschließen. Obwohl es Gendoping eigentlich offiziell noch gar nicht gibt. Aber wer weiß, was irgendwo auf der Welt in einem der molekularbiologischen Labore gerade passiert. Katrin Gerlinger vom TAB jedenfalls ist überzeugt: "Gendoping ist eine reale Gefahr."

Und diese Gefahr verdeutlichten sie und ihre Kollegen am Mittwoch bei einer gemeinsamen Anhörung des Forschungs- und des Sportausschusses im Bundestag, wo sie die Ergebnisse ihres Projekts zur Technikfolgenabschätzung von Gendoping präsentierten. "Gentechnik wird immer öfter benutzt, um den Körper aufzurüsten", erklärte TAB-Leiter Armin Grunwald einführend. Und das macht beim Sport nicht Halt. Auch hier versucht die Gentechnik mitzumischen. Und zwar mit Verfahren, die gezielt die Genaktivitäten im Körper beeinflussen sollen.

Gendoping ist es, wenn DNA- oder RNA-Moleküle gezielt in den menschlichen Organismus eingeschleust werden, um die Funktion der Gene im Körper zu manipulieren. Gendoping ist es nach Ansicht der Experten vom TAB aber auch, wenn pharmazeutische Produkte eingenommen werden, die ebenfalls die Genfunktion manipulieren.

Bisher existiert dieses Doping offiziell höchstens im Labor und dort auch nur im Tierversuch. All diese Versuche galten bisher der Erforschung von Gentherapien für Krankheiten wie etwa Krebs. Herausgekommen sind bei den Versuchen manchmal auch "Schwarzenegger-Mäuse" oder "Marathon-Mäuse" - Mäuse also mit extremer Muskulatur oder solche, die über nicht enden wollende Ausdauer verfügten.

Für Letzteres ist das Erythropoetin, kurz EPO, zuständig, mit dessen Hilfe die Zahl der roten Blutkörperchen erhöht wird. Ein erster Hinweis auf Gendoping fiel der Staatsanwaltschaft 2006 in die Hände, als sie in E-Mails des deutschen Leichtathletiktrainers Thomas Springstein Hinweise auf die Substanz Repoxygen entdeckte. Repoxygen sorgt dafür, dass Gene angeregt werden, mehr EPO zu produzieren.

Und auch die muskelbepackte Maus à la Schwarzenegger ist ein Produkt des Genlabors. Kürzlich wurde das Myostatin, ein wachstumshemmender Faktor im Muskel, entdeckt. Blockiert man die Wirkung von Myostatin, wachsen die Muskeln selbst dann, wenn man nur auf dem Sofa liegt. In einigen Rinderrassen ist dieses Gen aufgrund verschiedener Mutationen defekt. Die mutierten Rinder sind mit doppelt so vielen Muskeln bepackt wie normale Tiere.

Patrick Diel, Privatdozent an der Sporthochschule Köln und einer der Gutachter fürs TAB, verdeutlicht den Hype, den die Entdeckung von Myostatin auslöste. Der Entdecker, Professor Se-Jin Lee, ließ es zunächst patentieren, um die Lizenz dann an Wyeth Pharmaceuticals zu verkaufen. Wyeth arbeitet jetzt im klinischen Versuch daran, Myostatin durch einen Antikörper zu hemmen. "Was Pharmaunternehmen im Moment an Forschungsmitteln aufbringen, um im Bereich der Biomedizin voranzukommen, ist unvorstellbar", weiß Diel. "Forschungen der Welt-Antidoping-Agentur sind dagegen ein Tropfen auf den heißen Stein."

Diel verdeutlicht ein Problem, das auch der TAB-Bericht unterstreicht. Die Antidopingforschung hinkt hinter den Erkenntnissen der Biotechnologie hinterher. Um Tests und Kontrollverfahren zu entwickeln, müsste hier dringend intensiver geforscht werden. Denn heute wäre Gendoping im Urin oder Blut eines Athleten kaum nachweisbar. Während bisher nur die Konzentration der roten Blutkörperchen oder bestimmter Steroidhormone gemessen wurde, wird es in Zukunft um hochdifferenzierte Profile verschiedenster Moleküle in Blut- und Gewebeproben der Athleten gehen.

Außerdem, so fordert das TAB, sind Informationen über die nicht absehbaren Folgen des Dopings unerlässlich. Wer seine Gene dopt, riskiert unkontrolliertes Zellwachstum, Mutationen oder plötzliche Immunreaktionen des eigenen Körpers.

Doch viele Menschen lassen sich von solchen Risiken nicht abschrecken. "Wenn die Leute hören, dass ich von der Sporthochschule komme", so erzählt Patrick Diel, "fragen sie mich sogar auf offener Straße, ob ich nicht wüsste, wie sie an EPO rankommen könnten." Und ein Kollege in den USA, der seine Experimente mit Muskelmäusen in einer Fachzeitschrift beschrieb, bekam Anfragen von Männern aus der Bodybuilderszene, die selbst gern die Experimentiermaus spielen wollten.

Beim Doping gilt: Was möglich ist, wird angewandt. In der Bodybuilderszene werden gentechnische Produkte und Möglichkeiten schon jetzt in Internetforen heiß diskutiert. So mancher Spitzensportler wartet auf ein sicheres Dopingmittel, das noch nicht nachzuweisen ist. Und selbst die Anti-Aging-Szene könnte von Muskelwachstum und Leistungssteigerung ganz angetan sein. Denn wenn sich altersbedingte Einschränkungen mit Hilfe von Medikamenten überwinden lassen, werden die Alten zugreifen. Arnold Sauter vom TAB glaubt: "Langfristig ist hier ein weit verbreitetes Alltagsdoping denkbar."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.