Selbstzensur in Medien und Kultur: Erfolg für Japans Rechtsradikale

Mit Einschüchterung und Verleumdung sorgen die "Uyoku" für Selbstzensur. In Japan nehmen Kinos eine Doku über den umstrittenen Yasukuni-Schrein aus dem Programm.

Beleidigt gerne die asiatischen Nachbarländer und hält gebärunfähige Frauen für unwertes Leben: Tokios Gouverneur Shintaro Ishihara. Bild: reuters

TOKIO taz Auf Druck japanischer Rechtsradikaler wollen Kinos in Tokio und Osaka den Dokumentarfilm eines chinesischstämmigen Filmemachers über den umstrittenen Yasukuni-Schrein nicht zeigen. Der Japans Kriegstoten einschließlich verurteilter Kriegsverbrecher gewidmete Shinto-Schrein ist das Symbol von Nippons Ultranationalismus. Die fünf Kinos, die den von der Regierung subventionierten Film "Yasukuni" überhaupt nur zeigen wollten, erklärten jetzt, sie wollten Anwohnern "Unannehmlichkeiten" ersparen - eine Anspielung auf befürchtete Proteste.

Ultrarechte, in Japan "Uyoku" genannt, hatten laut Berichten bereits den 44-jährigen Filmemacher Li Ling und andere an dem Film beteiligte Personen bedroht. Nach einer Voraufführung für Abgeordnete hatten Rechtsradikale Kinos unter Druck gesetzt. Der 123-Minuten-Film erzählt die Geschichte von Menschen, die verschiedene Ansichten über den Zweiten Weltkrieg und den Schrein haben. Kulturminister Kisaburo Tokai bedauerte am Dienstag die Absage der Kinos. Doch Politiker der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) besuchen selbst immer wieder den Schrein.

Die schwarzen Busse der Rechtsradikalen mit dem kaiserlichen Wappen und dröhnenden Lautsprechern gehören in Tokio zum Stadtbild. In aggressivem Stakkato und patriotischem Pathos wird gegen linke "Vaterlandsverräter" und die ungeliebten Nachbarn China, Korea und Russland gewettert. Neben Xenophobie und territorialen Disputen geht es meist um die Bewertung der jüngeren Geschichte.

Passanten registrieren das Treiben mit auffälliger Gleichgültigkeit. Auch Yoefumi Tawara hält es für relativ harmlos. "Geht es um den Einfluss der Uyoku, ist es wichtiger zu eruieren, wer mit wem spricht, verhandelt und paktiert." Tawara engagiert sich für eine Neufassung japanischer Schulbücher, welche Nippons Kriegsverbrechen bislang nur in unscharfen Randnotizen behandeln. Für die Rechten macht ihn das zum Verräter, weshalb er bei seinen Vorträgen oft unliebsamen Besuch bekommt. "Dabei kommt es selten zu körperlicher Gewalt, doch wird deutlich gedroht. Die Uyoku dienen eher der psychischen Einschüchterung, begleitet von täglichem Telefonterror und Verleumdung."

Der Publizist und Chef der rechten Mittwochsgesellschaft, Mitsuhiro Kimura, meint: "Die Regierung benutzt uns, jene Dinge auszudrücken, die sie selbst nicht propagieren kann." Tatsächlich bestehen intensive persönliche Beziehungen zwischen nationalchauvinistischen Gruppen und Flügeln der nahezu ununterbrochen regierenden LDP. So erhielten unter Tokios Gouverneur Shintaro Ishihara die Uyoku immer größere Freiräume für ihre Aktivitäten. Kimura von der "Mittwochsgesellschaft" ist zufrieden. "Japan bewegt sich langsam in die richtige Richtung eines gestärkten nationalen Selbstbewusstseins. Der Einfluss der Uyoku ist weit größer, als es Wahlergebnisse zeigen."

Tokios rechtspopulistischer Gouverneur Ishihara beleidigt fortwährend die asiatischen Nachbarn, hält Frauen nach Verlust ihrer Gebärfähigkeit für unwertes Leben und nennt das Massaker von Nanking eine von Chinesen fabrizierte Lüge. Die über hunderttausend Zwangsprostituierten der japanischen Armee auf ihrem Feldzug in Ostasien waren für Expremier Shinzo Abe normale Prostituierte. Expremier Yasuhiro Nakasone erklärte Japans ökonomischen Erfolg mit der Abwesenheit "minder bemittelter Minderheiten" wie den Schwarzen in den USA.

Die Liste solcher rassistischen, chauvinistischen oder geschichtsrevisionistischen Äußerungen ist lang. In Japan blieben sie weitgehend unbeachtet durch die Massenmedien. Japans Kriegsschuld, die eigenen Minderheiten und das Kaiserhaus sind noch immer Tabus.

Katsuichi Honda bezeichnet sich selbst als unpolitischen Journalisten. Seit den 70er-Jahren forscht er zu Japans Kriegsverbrechen in China. Er veröffentlichte viele Bücher, was ihm die Aufmerksamkeit rechter Aktivisten brachte. "In den 70er- und 80er-Jahren kamen die Uyoku bis zu unserem Haus und stellten meinem Sohn in der Schule nach. Ich recherchiere sehr genau. So konnten sie mir inhaltlich nichts anhaben und wollten mich so von der Arbeit abzuhalten. Das ist heute nicht mehr so schlimm."

Der letzte politisch motivierte Übergriff eines Uyoku war 2006. Das Haus eines Abgeordneten wurde niedergebrannt, weil er sich gegen die Besuche des damaligen Premiers Junichiro Koizumi am Yasukuni-Schrein aussprach. Das letzte Mordopfer war vor 18 Jahren der Bürgermeister von Nagasaki. Er hatte sich zur Verantwortung des Kaiserhauses im Zweiten Weltkrieg geäußert.

Als Grund für die gesunkene Gewaltbereitschaft nennen Honda und Tawara paradoxerweise den Erfolg der Uyoku. "Ich war früher bei der Zeitung Asahi. Nachdem ein Kollege von einem rechten Fanatiker ermordet wurde, traute sich kaum noch jemand, die unangenehmen Seiten der japanischen Geschichte zu thematisieren", sagt Honda. So blieb auch der 70. Jahrestag des Nanking-Massakers im Dezember in Japan unbeachtet.

Kritische Geister gibt es zwar, doch durch das Kartell des Schweigens der fünf marktbeherrschenden Medienkonzerne fehlt ihnen die Breitenwirkung.

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