Tunnel-Flucht in Marokko: Terroristen entkommen aus Gefängnis

In Marokko entkommen die Urheber der Terroranschläge von Casablanca aus einer streng gesicherten Haftanstalt. Sie gruben sich einen Tunnel.

Einige der entkommenen Gefangenen auf dem Weg ins Gericht. Bild: reuters

MADRID taz Die Wärter des Gefängnisses in Kenitra staunten nicht schlecht. Als sie nach dem Morgengebet die Gänge der Haftanstalt 30 Kilometer nördlich der marokkanischen Hauptstadt Rabat abschritten, stellten sie fest, dass neun der gefährlichsten Insassen fehlten. Die Islamisten hatten einen Tunnel in die Freiheit gegraben.

Laut der Gefangenenhilfsorganisation Ennassir war einer der Flüchtigen zum Tode, sechs zu lebenslanger Haft und zwei zu jeweils 20 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Sie sollen der al-Qaida nahe stehenden "Marokkanischen Kämpfenden Gruppe" angehören und maßgeblich an Planung und Durchführung der Anschläge am 16. Mai 2003 in Casablanca beteiligt gewesen sein. Damals verloren 45 Menschen ihr Leben, darunter zwölf Selbstmordattentäter.

Marokkos Justizministerium hält sich über die genauen Fluchtumstände bedeckt. Doch schnell wurden Stimmen laut, die davon ausgehen, dass die neun in der Haftanstalt von Kenitra, die als die sicherste des Landes gilt, Helfer hatten. "Es ist überraschend, wie sie da rausgekommen sind", erklärte der Islamismusexperte Mohamed Darif. Er habe Informationen, wonach der Tunnel vom Gebäude der Gefängnisleitung aus gegraben worden sei.

Laut Ennassir haben die Flüchtigen in ihrer Zelle ein Schreiben hinterlassen, in dem sie ihre Unschuld beteuern. Nach den Anschlägen in Casablanca war die marokkanische Antiterrorgesetzgebung verschärft worden. Tausende wurden verhaftet. Bis heute sitzen 900 mutmaßliche Islamisten in Haft. Nicht nur die von den Angehörigen gegründete Ennassir, sondern auch unabhängige Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass die meisten davon nichts mit dem bewaffneten Islamismus zu tun haben.

Der Fluchtzeitpunkt hätte symbolträchtiger nicht gewählt sein können. Denn am Montag begaben sich die 900 inhaftierten mutmaßlichen Islamisten des Landes in einen 24-stündigen Hungerstreik gegen die schlechten Haftbedingungen. Marokkos Haftanstalten wurden einst für 20.000 Insassen angelegt. Über 60.000 sind dort tatsächlich zusammengepfercht.

Auch im benachbarten Mauretanien kam es zu einer Flucht eines mutmaßlichen Al-Qaida-Mitglieds. Am 2. April nutzte Sidi Ould Sidna einen Toilettenbesuch im Gerichtsgebäude, um sich abzusetzen. Ihm wird vorgeworfen, am Heiligabend mit mehreren Komplizen vier französische Touristen in Mauretanien getötet zu haben.

In der Nacht zu gestern kam es in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott zu einer Schießerei zwischen bewaffneten Islamisten und Sicherheitskräften. Dabei wurde ein Islamist sowie ein Polizist getötet. Acht Menschen wurden verletzt. Bei dem Toten soll es sich um den flüchtigen Sidi Ould Sidna handeln.

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