Bis zuletzt Streit um "Zug der Erinnerung": Kein Gedenken im Vorzeigebahnhof

Im Hauptbahnhof wollte die Bahn die Ausstellung über die Deportation jüdischer Kinder und die Beteiligung der Reichsbahn nicht haben. Der "Zug der Erinnerung" steht nun im Ostbahnhof.

Ein privater Werbezug durfte im Hauptbahnhof stehen, der "Zug der Erinnerung" nicht. Bild: dpa

BERLIN taz Nach wochenlangen Auseinandersetzungen ist der "Zug der Erinnerung" in Berlin eingetrofffen. Rund tausend Menschen empfingen im Ostbahnhof die mobile Ausstellung, die die Deportation jüdischer Kinder während der Nazizeit und die Rolle der Reichbahn thematisiert. Über die Haltestelle des Zugs hatten sich die Deutsche Bahn AG und der Trägerverein des Gedenkprojekts bis zuletzt gestritten.

Ein Halt am Hauptbahnhof, wie ihn sich die Initiatoren gewünscht hatten, war am Widerstand der Bahn gescheitert. Das Unternehmen hatte dafür technische Gründe angeführt: Durch das tagelange Verweilen des Zugs in dem wichtigen Verkehrsknotenpunkt wäre angeblich der Fahrplan durcheinandergeraten. Auch hätten laut Bahn wegen der Dampflok, die die drei Ausstellungswaggons zieht, die Rauchmelder des Gebäudes abgeschaltet werden müssen. Anstelle des Hauptbahnhofs bot die Bahn weit weniger stark frequentierte und abgelegene Ersatzbahnhöfe an.

Die Initiative beharrte jedoch auf einem zentralen Gedenkort und hätte die Dampflok für den Stopp in Berlin gegen eine moderne Lokomotive ausgetauscht. Auch wurde bekannt, dass die Bahn erst im Oktober 2007 den Werbezug einer Elektronikfirma zwei Tage lang im Hauptbahnhof hatte halten lassen. Darüber hinaus wollte die Bahn für die Streckennutzung und die Standzeit Gebühren in Höhe von rund 100.000 Euro verlangen. Dadurch stand der Verdacht im Raum, das Unternehmen und sein Chef Hartmut Mehdorn wollten die Ausstellung nicht in ihrem neuen Vorzeigebahnhof haben. Außerdem schien es der Bahn-Führung unangenehm, dass sich Menschen über Gebühr mit den Verbrechen des Vorgängerkonzerns Reichsbahn befassen könnten.

Deshalb protestierten am Samstagabend rund 500 Menschen vor dem Brandenburger Tor. In einer Rede rügte Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) die "peinliche Blockadehaltung der Chefetage" der Bahn. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) kritisierte das Verhalten des Unternehmens als "politisch instinktlos". Er befand: "Hinter technischen Problemen steht oft menschliches Versagen."

Auch Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte Bahnchef Mehdorn in der vergangenen Woche aufgefordert, den Weg für die Ausstellung an einem zentralen Ort freizumachen und auf die Erhebung von Gebühren zu verzichten. Der Bahn-Aufsichtsrat bot unterdessen an, 100.000 Euro an eine jüdische Organisation zu spenden. Tiefensee und der Bundestags-Verkehrsausschuss sprachen sich hingegen dafür aus, das Geld direkt der Initiative zugutekommen zu lassen.

Der "Zug der Erinnerung" rollt seit November durch Deutschland und soll am 8. Mai in Auschwitz eintreffen. Nach Angaben des Trägervereins haben bisher 160.000 Menschen an bundesweit 50 Stationen die Ausstellung besucht. Der Gedenkzug wird bis Montagabend auf Gleis 1 im Ostbahnhof stehen.

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