Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
Nun bin ich über 50 Jahre alt und ich muss feststellen, dass ich selten eine dermaßen skurrile Auseinandersetzung erlebt habe wie die um die Privatisierung der Bahn.
Die Befürworter der Privatisierung führen das Argument ins Feld, dass ein Teilverkauf der Bahn dringend benötigtes Kapital zuführen würde. Wie bitte? Das Geld wandert vom neuen zum alten Besitzer. Also von irgendeinem Fond zum Staat. Die Bahn bekommt bei diesem Transfer erst einmal nichts. Und sollte der Kaufpreis durch den Staat an die Bahn (und damit an den neuen Besitzer) weitergeleitet werden, dann wird die Bahn nicht verkauft, sondern verschenkt. Irgendwie erschließt sich mir der Sinn dieser Transaktion nicht so richtig.
Die Gegner der Privatisierung triumphieren mit dem Buzzword "Preiserhöhung". Wie bitte? Wohin sollen die Preise noch steigen? Schon jetzt sind die Preise der Bahn durchaus mit den Preisen für einen Mietwagen vergleichbar. Damit dürften die Fahrpreise bereits recht vollständig ausgereizt sein. Und ob die Sicherheit wirklich wie in Großbritanien sinkt ist eine Frage der Gesetzgebung. Müsste jeder Zug in jedem Quartal einmal zum TÜV (bzw. einer ähnlichen Prüforganisaton), dann wären wir doch wohl vor den absoluten Schrottzügen sicher. Zumindest könnten die Züge nicht gammeliger werden als so mancher IC, der heute noch in Deutschland unterwegs ist.
Wie groß ist wohl die Chance, dass wir von den Politikern irgendwann einmal ein vernüftiges Statement zur Privatisierung der Bahn bekommen? Ich vermute, die Wahrscheinlichkeit liegt bei Null.
Gruß aus Essen
Mathias Gronau
Sehr geehrter Herr Reineke,
zu Ihrem Kommentar: Bahnprivatisierung.
Sie haben nur die Ihrer Meinung negativen Privatisierungen erwähnt, warum nicht die Telekommunikation? Warum erwähnen Sie nicht die Chancen der Privatisierung, sondern nur die Risiken?
Welche Gefängsnisse sind Negativbeispiele?
Mit besten Grüßen
Jochen Bender
Bravo Herr Beck, die eigene Partei mal wieder verraten, den Koalitionspartner befriedigt, den neoliberalen Oppositionsparteien zugearbeitet, kurz den Weg bereitet zu haben für die Privatisierung der Bahn, bravo Herr Beck. Wieder mal ein Beleg für die neoliberale Gesinnung der Führung einer ehemals sozialen Partei. Streicht endlich das sozial aus der Parteibezeichnung, das grenzt bereits an Betrug!
Ja, ist denn die SPD von allen guten Geistern verlassen. Die Privatisierung hat in England gezeigt, daß der Fahrgast gefährlicher fährt und draufzahlt.
Danke, Herr Beck und wieder Hundertausende Stimmen mehr für die Linken. Sind die Führer der SPD weltfremd was eigendlich der normale Bürger will?
Wie kann man ernsthaft auf die Idee kommen, mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht regieren zu wollen? Das BSW ist eine rein destruktive Kraft.
Kommentar Privatisierungsbeschluss: SPD opfert die Bahn
SPD-Chef Beck hat in der hart umkämpften Frage der Bahnprivatisierung einen Kompromiss gefunden. Dieser führt zu dem, was die SPD nicht will: der Privatisierung.
Die gute Nachricht lautet: Die SPD ist sich ausnahmsweise mal einig. Kurt Beck, der viel gescholtene Parteichef, hat etwas fast Unmögliches geschafft: in der hart umkämpften Frage der Bahnprivatisierung einen Kompromiss zu finden. Oder genauer: etwas, das aus großer Ferne so aussieht wie ein Kompromiss.
Die schlechte Nachricht lautet, dass dieser Kompromiss de facto genau zu dem führt, was die SPD eigentlich nicht will: zur Privatisierung der Bahn. Dass nur ein Viertel des Bahnverkehrs verscherbelt wird, klingt irgendwie freundlicher, als privaten Investoren gleich 49,9 Prozent einzuräumen - es macht aber keinen fundamentalen Unterschied. Die Bahn wird künftig die Renditewünsche ihrer Aktionäre berücksichtigen. Im Fernverkehr wird dies aller Voraussicht nach höhere Preise und ein dünneres Netz bedeuten. Denn es widerspricht schlicht der Renditelogik, IC-Strecken aufrechtzuerhalten, die sich nicht rechnen.
All das wird nicht auf einen Schlag passieren, sondern langsam. Dabei ist der Sinn des Börsengangs der Bahn mehr als fraglich. Die Bahn-AG braucht Kapital, um als Global Player auf dem internationalen Mobilitätsmarkt agieren zu können. Damit wird ein transnational aktiver, halbstaatlicher Konzern geschaffen. Ein Blick auf die aktuellen Milliardenverluste der Landesbanken zeigt, wie riskant solche Konstrukte sind. Doch die deutsche Politik ist bemerkenswert unfähig, aus schmerzlichen Erfahrungen zu lernen.
Die Privatisierung der Bahn ist ein Relikt der Neunzigerjahre, als mit Privatisierungen noch Heilserwartungen verbunden waren. Von der Müllabfuhr bis zu den Gefängnissen gibt es heute jedoch eine Menge Beispiele, die zeigen, dass privat oft nicht besser, sondern schlechter und teurer heißt. Trotzdem hat sich die SPD - in schroffem Widerspruch zu ihrem Hamburger Parteitag - nun dafür entschieden.
Für die Machtposition von Kurt Beck mag dieser Kompromiss gut sein, für die Sozialdemokratie ist er es nicht. Die SPD-Linke hat schlicht kapituliert: Sie redet sich ihre Niederlage noch ein bisschen schön und fügt sich ansonsten ins Unabänderliche. Eine bessere Wahlhilfe für die Linkspartei hätte Beck kaum leisten können.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.