UN-Chef fordert Ende der Schuldzuweisung

DIPLOMATIE Nach dem großen Krach am Montag sind die Verhandlungen in Arbeitsgruppen wieder in Gang gekommen. Bundesumweltminister Röttgen: Abkommen ist noch möglich, Tempo muss erhöht werden

KOPENHAGEN taz/apd | UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat die Vertreter der reichen und armen Länder auf dem Klimagipfel zu einem Ende der Schuldzuweisungen aufgerufen. „Jetzt ist die Zeit, nicht länger mit dem Finger aufeinander zu zeigen“, sagte Ban Ki Moon am Dienstag unmittelbar nach seiner Ankunft in Kopenhagen. Stattdessen sollten die Staaten ihre Klimaziele heraufschrauben, um die stockenden Verhandlungen zu retten. Beide Seiten müssten ambitioniertere Angebote auf den Tisch legen. Er sei aber weiter vorsichtig optimistisch, dass es ein erfolgreiches Ergebnis geben werde, sagte Ban Ki Moon. Nach seinen Worten wäre es ein schwerer Fehler, die wichtigen Verhandlungen allein den rund 100 Staats- und Regierungschefs zu überlassen: Die Unterhändler müssten ihre Meinungsverschiedenheiten vor deren Eintreffen ausräumen.

Am Montag hatte der Auszug der in der G 77 zusammengeschlossenem Entwicklungs- und Schwellenländer zum Abbruch der Verhandlungen geführt. Vor allem die Afrikaner hatten der dänischen Präsidentschaft vorgeworfen, das Kioto-Protokoll opfern zu wollen. Tatsächlich hatte sich in den letzten Tagen herauskristallisiert, dass die EU eine zweite Verpflichtungsperiode unter dem Kioto-Protokoll nur akzeptiert, wenn auch die USA mit an Bord sind. Die aber wollen das Protokoll auf keinen Fall ratifizieren. Und weil die G 77 Klimaschutz unbedingt weiter unter dem Dach von Kioto betreiben wollen, verließen sie die Verhandlungen. Um wieder ins Gespräch zu kommen, wurden vier Arbeitsgruppen gegründet, die von je einem Minister eines Industrie- und eines Entwicklungslandes hinter verschlossenen Türen tagten.

Die wichtige Reduktionsgruppe wird geleitet von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU): Auf dem Tisch liegen derzeit Verpflichtungsangebote, die den globalen Treibhausgasausstoß bis 2020 zwischen 16 bis 23 Prozent reduzieren könnten.

Die Spanne kommt zustande, weil es beispielsweise Angebote gibt, die mit Bedingungen verknüpft sind. Die EU etwa wird ihre Emissionen um 20 Prozent senken, um 30 Prozent aber, wenn es ein globales Klimaschutzabkommen gibt, in dem die USA mitmachen.

Fakt ist: Auf dem Tisch liegt zu wenig. Um – wie politisch formuliert – die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, sind bis 2020 laut Weltklimarat IPCC mindestens 25 bis 40 Prozent gegenüber 1990 notwendig.

Röttgen muss also bei den laufenden Verhandlungen von den Delegierten noch Zusagen über ein paar weitere Prozente rausholen. „Einerseits verschwenden wir hier sehr viel Zeit mit der Darlegung bekannter Position und Verfahrensfragen“, sagte der Minister am Dienstag. Es sei mehr Tempo nötig. Röttgen: Andererseits sind wir immer noch im Plan, bis Freitag zu einem Abkommen zu kommen!“

Das sieht zum Beispiel die Schweizer Delegation ganz anders: Vermutlich werde es in Kopenhagen nur ein neues Mandat geben, das dann bis zur nächsten Klimakonferenz in Mexiko abgearbeitet werden soll.

NICK REIMER