Vorwahlen in Pennsylvania: Kampf um die Entscheider

Der Wahlkampf läuft seit 16 Wochen. Bei den Demokraten steht immer noch aus, wer fürs Präsidentenamt kandidiert. Clinton und Obama umgarnen nun Superdelegierte.

Gleicher als gleich: Bei einer Pattsituation entscheiden "Superdelegierte", wer Präsidentschaftskandidat werden soll. Bild: dpa

Washington taz Eine historische Chance, zwei Politstars und ein Unentschieden: Dies umreißt das Bermudadreieck für die Demokratische Partei der USA. Noch vor einem Jahr galt es den meisten Liberalen als gewiss, dass Hillary Clinton für sie in den Kampf ums Weiße Haus ziehen werde und man gemeinsam die Republikaner um George W. Bush im Eilverfahren von der Platte putzen werde. Doch dann tauchte der schwarze Senator Barack Obama auf - und es kam ganz anders.

16 Wochen Vorwahlkampf und 21 TV-Duelle gingen ins Land. Rund 300 Millionen US-Dollar wurden ausgegeben. Doch noch immer kämpfen die beiden Bewerber Clinton und Obama um jede Stimme. Pessimisten sind überzeugt, dass sich das zähe Ringen bis zum Parteitag Ende August in Denver hinziehen wird. Unterdessen nominierten die Republikaner schon vor über einem Monat ihren Kandidaten, den liberal-konservativen Senator John McCain. Die Demokraten dagegen wissen noch immer nicht, mit wem sie ins Rennen um die Präsidentschaft starten.

Zwar führt der schwarze Senator Barack Obama gegenwärtig mit mehr Wählerstimmen, mehr Delegiertenstimmen. Aber seine Rivalin Hillary Clinton punktet mit der Unterstützung von 256 Superdelegierten vor Obama mit nur 233. Die Superdelegierten, so will es das Parteistatut, sind diejenigen, die bei einer Pattsituation mit ihrer Stimme entscheiden.

795 Superdelegierte hat die Demokratische Partei bestellt. Zu ihnen gehören amtierende ranghohe Parteifunktionäre, Expräsidenten und Exvizepräsidenten sowie die demokratischen Gouverneure, Senatoren und Abgeordnete. 306 der Superdelegierten haben sich noch nicht festgelegt, Mehrere Dutzend - darunter die Parteiführung selbst - sind qua Amt bis zum Nominierungsparteitag zur Neutralität verpflichtet.

Seit Wochen kämpfen Hillary Clinton und Barack Obama um die Zögerer und Wankelmütigen mit Anrufen, E-Mails und bisweilen sogar Geschenken. Die ehemalige First Lady schickte an die Unentschlossenen in Kalifornien ihre handsignierte Autobiografie. Ihr Ehemann Bill Clinton startet am Telefon regelmäßige Charmeoffensiven im Namen seiner Frau. Ebenso wie bei Hillary sind auch im Team Obama "Superdelegierten-Einpeitscher" damit beschäftigt, die wertvollen Kontakte zu den tatsächlichen Entscheidern zu pflegen.

Von ihnen bekommen Obama und seine Frau Michelle immer wieder lange Telefonlisten in die Mappe gelegt. Die wichtigen Superdelegierten sollen von den Bewerbern dann während der langen Autofahrten zu Wahlkampfterminen selbst angerufen werden. Schon gewonnene Superdelegierte werden regelmäßig mit guten Nachrichten und Gesprächen kontaktiert.

Rund 600 E-Mails erhält Susann Turnbull täglich. Von beiden Kampagnen. Dazu Post und Einladungen. Die Superdelegierte versucht das Meiste davon zu lesen, aber als eine der neun Vizevorsitzenden des Bundeskomitees der Demokraten will sie Abstand zu beiden Kandidaten halten. Turnbull, die schon seit drei Jahrzehnten hauptberuflich für die Partei tätig ist, arbeitet eng mit Parteichef Howard Dean zusammen. "Wir sind als Mitglied des Parteivorstands zur Neutralität verpflichtet," betont sie.

"Wir sehen uns aber nicht als ,Super', wir stehen über niemandem. Wir Mitglieder des Bundeskomitees haben in erster Linie die Pflicht, dafür zu sorgen, dass wir einen Plan haben, wie wir die Wahlen 2008 gewinnen wollen", sagt sie und verteilt ein paar Seitenhiebe gegen die Medien, die die Rolle der Superdelegierten "aufbauschten".

Nachgefragt, wie sie denn ihre Entscheidung im August treffen werde, sagt sei: "Natürlich fühle ich mich als Entsandte der Partei meines Heimatstaates Maryland verpflichtet, dem dortigen Wählerwillen zu entsprechen." Neutral will sie offiziell bis zum Schluss bleiben. Aber so viel ist sicher: Maryland hat Obama im März einen dicken Sieg beschert. Will Turnbull also dem Wunsch ihrer Parteimitglieder zu Hause folgen, muss sie für den schwarzen Senator stimmen.

Sich nicht über den Willen der Wähler hinwegzusetzen, dieses Prinzip werde für alle Superdelegierten gelten, egal ob sie dem Clinton- oder dem Obama-Lager angehören. Davon ist Exsenator Tom Daschle, bis 2004 Chef der Demokraten im Senat, überzeugt. Auch er ist Superdelegierter, allerdings einer, der schon lange bekannt gegeben hatte, für Obama stimmen zu wollen. Der bestens vernetzte Daschle war es, der Barack Obama von Anfang an Mut zu einer Kandidatur gemacht hat. Für ihn ist der junge schwarze Senator die Zukunft der Partei. Außerdem derjenige, der die besseren Chancen hat, im November gegen den Republikaner John McCain anzutreten.

Der Strippenzieher

Daschle ist davon überzeugt, dass Clinton schon jetzt keine Chance mehr hat. Denn von den elf Bundesstaaten, die noch Vorwahlen abhalten müssen, könne sie "bestenfalls zwei, nämlich Pennsylvania und vielleicht noch Indiana gewinnen". Zu wenig, um Obamas Vorsprung noch einholen zu können.

Der demokratische Strippenzieher Daschle glaubt, dass die ungeschickten Versuche des Clinton-Teams, doch noch Delegiertenstimmen aus den gesperrten Staaten Florida und Michigan zu erhalten, erfolglos bleiben werden. Beide Staaten hatten durch vorgezogenen Wahltermine die Parteiregeln verletzt. Woraufhin die Partei ihren Delegierten das Stimmrecht entzogen hatte. Wie die prominente Demokratin Nancy Pelosi, seit 2006 Parlamentspräsidentin und ebenfalls Superdelegierte, kürzlich vorschlug, könnten die Delegierten Floridas und Michigans je zur Hälfte auf Clinton und Obama verteilt werden, damit sie mitstimmen können, aber nicht die Arithmetik durcheinanderbringen. Auch Daschle hält es für die eleganteste Lösung, um aus der Bredouille zu kommen, in die die Partei wegen diesem Streit hineingeraten ist. Der oberste Demokrat, Parteichef Howard Dean, hat sich dazu noch nicht geäußert.

Aus gutem Grund. Denn nichts erregt in der US-Öffentlichkeit mehr Misstrauen als die Vorstellung, dass knapp 800 Privilegierte sich auf dem Parteitag verabreden, um ungeachtet der Vorwahlergebnisse den - oder die - Kandidatin zu nominieren. Das Parteistatut gibt den Superdelegierten dazu theoretisch das Recht. Eine anachronistische Regelung aus den Zeiten, da Kandidaten noch in verrauchten Hinterzimmern ausbaldowert wurden. Donna Brasile, die prominenteste Parteistrategin der Demokraten und Wahlkampfleiterin Al Gores, hatte schon vor Wochen angekündigt: "Wenn die Superdelegierten die Wahl gegen den Willen der Wähler entscheiden, gebe ich mein Parteibuch ab!" "Ich verstehe die ganze Spekuliererei nicht," sagt Christine Pelosi zur taz. Die groß gewachsene, schlanke Mittvierzigerin ist eines der fünf Kinder von Nancy Pelosi, der demokratischen Frontfrau. Pelosi, erfolgreiche Rechtsanwältin und seit Jahren ebenfalls Parteiaktivistin, ist eine der zur Neutralität verpflichteten Superdelegierten. "Deshalb werde ich die Person unterstützen, die die meisten Delegiertenstimmen erhält", sagt sie. "Wir Superdelegierte müssen den Willen der Wähler respektieren", das seien die Regeln, und nein, der Partei werde es nicht schaden, wenn die Superdelegierten die unentschiedenen Vorwahlen mit ihren Stimmen entscheiden werden. "Wir fühlen uns gut damit, dass wir untereinander diesen Wettstreit haben" sagt Pelosi, die seit 1996 Mitglied im Vorstand der Bundespartei ist und daher qua Amt Superdelegierte.

Chance für Republikaner

Sie werde bei den Wahlen im November "wählen, wie ich es für richtig halte," sagt Pelosi. Privat, das gibt sie gerne zu, sei sie weder von Hillary noch von Barack überwältigt. Wichtig sei aber, den Kandidaten zu nominieren, der die meisten Wähler mobilisieren und der am vielversprechendsten für die programmatische Zukunft der Demokraten sei. Obama hat in ihrem Wahlkreis, San Francisco, haushoch gewonnen, sagt sie. Howard Dean, der 2004 als demokratischer Präsidentschaftsbewerber scheiterte, steht unter enormen Druck. Einerseits muss er dafür sorgen, dass der Nominierungsprozess gemäß den Regeln seiner Partei abläuft. Andererseits kann er - und die Partei - es sich nicht leisten, die Nominierung des demokratischen Kandidaten bis Ende August hinauszuzögern. Das würde den Republikanern zu viel Vorsprung bei der Vorbereitung ihrer Wahlkampfstrategie gewähren. Statt des üblichen halben Jahres hätten Clinton oder Obama dann nur drei Monate Zeit, sich gegen John McCain in Stellung zu bringen.

Immer wieder sollen hinter verschlossenen Türen einflussreiche Demokraten versucht haben, Hillary Clinton zum Aufgeben zu drängen. Doch die kämpferische Politikerin denkt nicht daran: "Ich werde bis zum Nominierungsparteitag weiterkämpfen," hat sie bereits vor Wochen versprochen - und es immer wieder bestätigt. Howard Dean weiß, das ist keine leere Drohung. So könnte von der historischen Chance für die Demokraten, ganz am Ende, nur eine historische Schlappe übrigbleiben.

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