Waffenstillstand und Anschlag: Gegenläufige Handlungen in Nahost

Chaled Meschal von der Hamas spricht mit Ex-Us-Präsident Carter in Damaskus über einen Waffenstillstand, während Hamas-Aktivisten einen Anschlag im Gazastreifen verüben.

Syrische Journalisten warten abseits, nachdem ihnen verboten wurde, beim trefeen von Carter und Meschal vorort zu sein. Bild: ap

JERUSALEM taz Im Nahen Osten scheint derzeit die linke Hand nicht zu wissen, was die rechte tut. Das gilt für die israelische Regierung genauso wie für ihren Gegenspieler Hamas. Gerade hatte Chaled Meschal, Politbüro-Chef der islamistischen Palästinenserorganisation, in Damaskus mit dem Ex-US-Präsidenten Jimmy Carter über einen unilateralen Waffenstillstand beraten, da sprengten Hamas-Aktivisten an einem Grenzübergang zum Gazastreifen drei Autos in die Luft. Und während Israels Verteidigungsminister Ehud Barak ankündigte, dass "die Hamas für den Angriff am Grenzpunkt bezahlen" werde, erklärte der Vizepremierminister Eli Ischai von der religiösen Schas-Partei entgegen der erklärten Politik Jerusalems, er wolle den Boykott gegen die Hamas beenden, um den seit fast zwei Jahren in Gaza festgehaltenen israelischen Soldaten Gilad Schalit freizubekommen.

Zum fünften Mal innerhalb von wenigen Tagen griff die Hamas genau dort an, wo Hilfe für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen angeliefert wird. Zuerst war es der Mordanschlag auf zwei israelische Zivilisten, die die Ölpipeline ins palästinensische Gebiet, die geschlossen worden war, wieder öffnen wollten, dann der Anschlag mit den Sprengstoff beladenen Autos am Grenzübergang für Warentransporte, bei dem 13 israelische Soldaten nur Stunden vor Beginn der jüdischen Pessach-Feiertage verletzt wurden. Ein Sprecher der Hamas rechtfertigte die Anschläge als Maßnahme, die israelische Blockade aufzubrechen. Tatsächlich erreichen die Extremisten genau das Gegenteil, denn nach jedem Anschlag werden die Übergänge geschlossen, und die Lieferung der lebenswichtigen Produkte bleibt aus.

Schon am Donnerstag war es zu einem versuchten Anschlag am Übergang Kerem Scharon gekommen, den die israelische Armee als eine Art Probeschlag interpretiert, um genauere Informationen für den eigentlichen Anschlag zu gewinnen. Der militärische Flügel der Hamas übernahm die Verantwortung.

Verteidigungsminister Barak kündigte unterdessen "Strafmaßnahmen" an. Mindestens sieben bewaffnete Palästinenser starben dann am Wochenende bei Luftangriffen auf den nördlichen Gazastreifen. Unterdessen scheinen die stationierten Truppen immer nervöser zu werden. Der Kommandant der Kompanie, die im Verlauf der Woche drei Soldaten verloren hat, gab Befehl, "so viele Terroristen zu töten wie möglich". Das Ergebnis der anschließenden heftigen Schusswechsel waren 20 Tote auf palästinensischer Seite, darunter mehrere Kinder und ein Kameramann.

Im Schatten dieser Eskalation findet bei der Hamas eine interne Debatte über einen unilateralen Waffenstillstand statt, ausgelöst durch zwei Treffen zwischen Meschal und Jimmy Carter. Der ehemalige US-Präsident und Friedensnobelpreisträger drängte den Hamas-Politbürochef, die Raketenangriffe zu beenden. Außerdem überbrachte er ihm die Bitte des israelischen Vizepremierministers Eli Ischai (Schas) um ein Treffen. Ischai ist der einzige Minister, der in der vergangenen Woche bereit war, mit Carter zusammenzukommen. Er hofft auf eine Einigung mit der Hamas über die Befreiung Gilad Schalits. Erst am Freitag verlautete aus Gaza, dass Schalit nie wieder Tageslicht sehen würde, sollten nicht hunderte palästinensische Gefangene im Gegenzug entlassen werden.

Hamas-Sprecher Abu Suhri tadelte am gestrigen Sonntag den ägyptischen Außenminister Achmad Abu Gheit, der die Beteiligung der Hamas an einer Regierung der Nationalen Einheit befürwortet, um eine Einigung mit Israel zu erreichen. Laut einem von den Ägyptern erarbeiteten Plan würde die Palästinenser über ein eventuelles Friedensabkommen mit Israel per Referendum abstimmen. Abu Suhri lehnte jedoch ab: Zu einer solchen Volksbefragung werde es nicht kommen.

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