Historiker Friedrich zum Korea-Krieg: "Ich bin wissenschaftlich nicht widerlegt"

Der Historiker Jörg Friedrich hat ein Buch über den Koreakrieg geschrieben. Mit blumigen Metaphern und wenig neuen Erkenntnissen, meinten Kritiker. Wie literarisch darf Geschichtsschreibung sein?

Waffenstillstandsabkommen des Korea-Krieges, 1953. Bild: dpa

taz: Herr Friedrich, wollen Sie mit Ihren Büchern provozieren?

Jörg Friedrich: Zunächst mal will ich Interesse provozieren.

Sie haben viele Verrisse für ihr jüngstes Buch, "Yalu", geerntet.

Dazu kann ich gar nichts sagen. Ich lese keine Rezensionen.

Es wird etwa behauptet, Sie hätten keine Thesen. Haben Sie Thesen? Wie lautet die zentrale These von "Yalu"?

Ich fände, es wäre ein schlechtes Buch, wenn man es auf eine zentrale These reduzieren könnte. Mein Buch ist ein Buch über den Koreakrieg.

Es gibt bereits etliche Bücher über den Koreakrieg.

Es gibt Bücher zu Einzelszenen. Sie werden aber im deutschen Sprachraum nur ein einziges zum Koreakrieg allgemein finden, und das ist sehr dünn. Insofern gab es den Bedarf nach einer umfassenderen Darstellung.

Es gibt Darstellungen auf Englisch.

Die sind aber nicht übersetzt.

Was hat Sie, hiervon abgesehen, bewogen, den Koreakrieg zu beschreiben?

Die Grausamkeit und Aggressivität des Luftkrieges über Korea. Da besteht auch der Zusammenhang zu meinem Buch über den Bombenkrieg im 2. Weltkrieg.

"Der Brand" …

Genau. Aber die Deutschen haben im Prinzip eine gerechte Strafe erhalten. Wer wie die Deutschen mit solcher Aggressivität gegen seine Nachbarn auftritt, darf sich nicht wundern, wenn ihm das mit ähnlichen Mitteln heimgezahlt wird. Das kann man von Korea nicht sagen.

Was ist an Ihrer Beschreibung des Koreakrieges neu?

Neu ist zum Beispiel die Beschreibung der Rolle, die Stalin im Hintergrund spielt. Auch der simple Fakt, dass der Koreakrieg tatsächlich der erste chinesisch-amerikanische Krieg ist. Er heißt Koreakrieg, weil die Parteien auf einem Schauplatz namens Korea miteinander fechten. Aber die Mannschaften sind zu 90 Prozent Chinesen und Amerikaner. Die Chinesen benutzen russische Waffen, Stalin ist eine Spinne im Hintergrund.

Sie zitieren häufig biblisches Vokabular. Warum?

Die Kriegsführer greifen selbst gern zu biblischem Vokabular. Gut kämpft gegen Böse, Demokraten gegen Totalitäre, Schurken gegen Kinder des Lichts.

Aber Sie benutzen das Vokabular ja selbst.

Das wohnt dem Sachverhalt inne. Die Beteiligten fechten endzeitliche Kriege aus. Derjenige, der über Vernichtungswaffen verfügt, ist Herr der Welten, Hebel einer Sintflut. Was dann stattfindet, übersteigt menschliche Konflikte, weil die Konsequenz ein Zivilisationsuntergang ist. Um das Gewicht dieser Sachverhalte auszudrücken, bedarf es der Benutzung existenzieller Begrifflichkeiten. Es geht ja um etwas jenseits des Vorstellbaren. Im Koreakrieg geht es um Wirkungen wie beim Jüngsten Gericht.

Sie verwenden literarische Mittel. Ist "Yalu" Geschichtsschreibung oder Literatur?

Der Unterschied zwischen Geschichtsschreibung und Literatur ist ein neuer. In der Antike galt die Geschichtsschreibung als eine Form der Literatur. Auch Homer ist ein Geschichtsschreiber. Auch Schiller war ein grandioser Geschichtsschreiber.

Der Historiker Theodor Mommsen hat einen Literaturnobelpreis bekommen …

Selbst Churchill hat einen Literaturnobelpreis bekommen.

Trotzdem muss man unterscheiden zwischen Realität und Fiktion.

Der Mensch ist beim Einfangen der Realität keine Kamera. Man kann nur versuchen, etwas Reales mit Worten widerzuspiegeln. Nennen Sie das ruhig literarische Mittel. Wie ist es denn möglich, etwas wie Hiroschima zu beschreiben, ohne literarische Mittel zu verwenden?

Ihre Kollegen versuchen das.

Ich will ja nicht bestreiten, dass ich meinen eigenen Weg der Geschichtsschreibung gehe. Der unterscheidet sich von dem vieler Kollegen. Wenn ich also etwa von einer der schwierigsten militärischen Situationen überhaupt schreibe, nämlich dem Übergang von Wasser auf Land, muss ich darstellen, was es heißt, eine Kaimauer unter Beschuss zu stürmen. Für den Soldaten gibt es nichts Gefährlicheres. Es geht um die Erfahrung der Schlacht.

Bringt Ihr Buch denn auf diese Weise die Forschung weiter?

Es gibt Anekdoten, die einen Wahrheitsgehalt haben. Viele Kollegen meinen, das hat in der Wissenschaft nichts zu suchen, ich bin da anderer Meinung. Wer die Erfahrungsgeschichte der Menschen in der Wissenschaft ausblendet, schafft Fiktion. Sicher kriege ich mit meiner Art der Darstellung keinen Lehrstuhl. Den will ich gar nicht, ich will Leser. Es ist der Sinn eines Buchs, dass es gelesen wird.

Aber nicht nur?

Nein, "Yalu" hat einen Wahrheitsanspruch. Fakten betreffende Fehler konnte mir noch niemand nachweisen. Das sage ich ohne Bescheidenheit: Ich bin wissenschaftlich nicht widerlegt! INTERVIEW: TOBIAS SCHWARTZ

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