Studenten-Proteste
Leise bröckelt der Protest

Für die Aktivisten an den Hochschulen wird es eng – viele ihrer Mitstreiter fahren über die Feiertage nach Hause zu den Eltern
BESETZUNGEN Weihnachten macht jeden Aufstand kaputt, lautet eine Aktivisten-Weisheit. Das erfahren derzeit die Studenten – dabei hätten sie allen Grund, weiter zu kämpfen

Was die Studierenden davon halten, lässt sich in einen Satz fassen: „So ein Scheiß“

VON FLORIAN ZINNECKER

In Wirklichkeit ist alles ganz einfach: „Studenten haben immer schon demonstriert, das war vor Jahrzehnten schon so und das ist diese Woche eben wieder so.“ Der, der das sagt, ist der bayerische Kultusminister Wolfgang Heubisch (FDP). Zusammen mit seinen 15 Kollegen hat Heubisch vergangene Woche in der Kultusministerkonferenz eine Art Bolognareform-Reform auf den Weg gebracht, die als kleinster gemeinsamer Nenner zur Lösung einer großen gemeinsamen Krise gilt.

Und wenn Heubisch in der Runde auch nur einen Kollegen hat, der ähnlich denkt wie er, dann ist es kein Wunder, warum die protestierenden Studierenden auch und besonders im Norden nicht ans Aufhören denken. Der Reformbeschluss der Kultusministerkonferenz sieht vor: weniger Stoff im Bachelor, weniger Prüfungen, und immerhin nicht weniger, aber auch nicht mehr Masterstudienplätze für Bachelor-Absolventen. Was die Studierenden davon halten, die beispielsweise in Lüneburg vier Wochen lang einen Hörsaal besetzt hielten, lässt sich in einen Satz fassen: „So ein Scheiß.“

„Engagierte Studierende kämpfen zu Recht um bessere Studienbedingungen, schaffen dadurch aber auch ein Forum für chronische Neinsager, die sich in einer seltsamen Koalition zusammengeschlossen haben“, schreibt der ehemalige Hamburger Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) in einem Gastkommentar für die Welt. „Denn in einem sind sich hörsaalbesetzende Kapitalismuskritiker und Liebhaber des universitären Elfenbeinturms offenkundig einig: Früher war alles besser.“ Dräger ist heute Chef des Zentrums für Hochschulentwicklung der Bertelsmann Stiftung, einem der größten Treiber in der Hetzjagd der bundesdeutschen Unis nach dem schneidigsten Profil. Protestler, die Hörsäle besetzen, stören da nur.

Ganze vorne dabei beim Protest war wieder einmal die Leuphana Universität Lüneburg. Seitdem die Hochschule den Schweizer Reformpräsidenten Sascha Spoun an ihre Spitze gewählt hat, ist Bildung – wenigstens als Theorie-Begriff – ein großes Thema.

Auch anderswo zeigen sich die Uni-Leitungen butterweich. Eine bessere Uni, drauf können sich alle verständigen. Tatsächlich bröckelt darum der Protest. Ein Hörsaal nach dem anderen wurde freigegeben. Was auch an der unbegrenzt gültigen Weisheit liegt: Weihnachten kriegt jeden Aufstand kaputt.