Rücktritt von neun Ministern: Regierungskrise in Pakistan

Die Koalition steht wegen des Streits über die Wiedereinsetzung der von Präsident Musharraf entlassenen Richter vor dem Aus. Bhutto-Witwer Zardari hatte sich dagegen gesperrt.

Weigerte sich, die entlassenen Richter wieder einzusetzen: Bhutto-Witwer Asif Zardari

In Pakistan droht der Regierungskoalition aus der Pakistanischen Volkspartei (PPP) der ermordeten Benazir Bhutto und der Nawaz-Muslimliga (PML-N) von Nawaz Sharif nach gerade einmal sechs Wochen das Aus. Alle neun Minister der PML-N reichten am Dienstag ihre Rücktrittsgesuche bei Premierminister Yusuf Raza Gillani ein.

Zum Eklat war es gekommen, weil sich PPP-Vize und Bhutto-Witwer Asif Ali Zardari trotz wochenlanger Verhandlungen geweigert hatte, die im November entlassenen höheren Richter des Landes ohne Vorbedingungen wieder einzusetzen. Nawaz Sharif hatte darauf bestanden, die Richter per Parlamentsbeschluss wieder ins Amt zu bringen und alle ihre Befugnisse wieder herzustellen - was seine Hauptforderung im Wahlkampf und in den Koalitionsverhandlungen mit der PPP gewesen war. Zardari hingegen bestand bis zuletzt auf mehreren Verfassungszusätzen, damit die wiedereingesetzten Richter die Entscheidungen der Musharraf-treuen Juristen nicht mehr rückgängig machen und die Präsidentschaft Musharrafs nicht rückwirkend anfechten können. Im November hatte Präsident Pervez Musharraf mehr als die Hälfte der höheren Richter entlassen, als das Oberste Gericht des Landes damit drohte, seine Wiederwahl zum Präsidenten zu kippen und Gefolgsleute auf ihre Posten gehoben. Am Montag war die zweite Frist verstrichen, die sich die Regierungsparteien für eine Einigung gesetzt hatten.

Premier Yusuf Raza Gillani lehnte es zunächst ab, die Rücktrittsgesuche der Minister anzunehmen. Er sagte, zuvor sollten alle Parteichefs wieder in Islamabad sein und sich zu Gesprächen treffen. PPP-Vizechef Zardari sollte am Dienstagabend von einem Besuch in Großbritannien nach Pakistan zurückkehren.

Nawaz Sharif erklärte, der Rücktritt seiner Minister bedeute nicht das Ende der Zusammenarbeit mit der Volkspartei. Seine PML-N werde nicht in die Opposition gehen, sondern fortan die Volkspartei tolerieren und bei Entscheidungen im Parlament von Fall zu Fall ihren Kurs festlegen. Doch seine Minister hätten nur deswegen "die bittere Pille geschluckt" und sich von Musharraf im Amt vereidigen lassen, damit sie später die entlassenen Richter wiedereinsetzen könnten. "Wie werden auf keinen Fall Teil irgendeiner Verschwörung werden, die den demokratischen Prozess destabilisieren soll", sagte Sharif bereits am Montag.

Zwar bemühten sich beide Seiten nach außen, die Folgen der drohenden Regierungsauflösung herunterzuspielen. Dennoch ist der Schaden enorm. Denn die Regierung wäre ohne die PML-N so gut wie regierungsunfähig. Ohne die Nawaz-Muslimliga besäße sie nicht einmal die einfache Mehrheit. Schlimmer noch: Sollte sich der Ausstieg der PML-N-Minister zementieren und nicht noch in allerletzter Sekunde ein Kompromiss gefunden werden, könnte die PPP darauf angewiesen sein, mit den Musharraf-Unterstützern zusammenzuarbeiten.

Doch selbst das wäre vielleicht nur ein Eingeständnis des Status quo, der sich in Pakistan aus dem schwierigen Verhältnis zwischen Präsident und Militär auf der einen und dem Parlament auf der anderen Seite ergeben hat. Denn allem Anschein nach ist PPP-Vize Zardari allen Dementis zum Trotz tatsächlich den Musharraf-Bhutto-Deal mit dem früheren Diktator Musharraf eingegangen, den vor allem Washington vorangetrieben hatte. Der sah vor, dass Musharraf den Posten des Obersten Armeechefs abgibt und Wahlen zulässt, aus denen Bhutto als Gewinnerin hervorgeht. Anschließend wird sie Premierministerin und belässt Musharraf im Amt.

Die Frage der abgesetzten Richter ist auch für Zardari selbst von größter Bedeutung. Denn Musharraf hatte Zardari über seine Richter eine vollständige Amnestie gewährt. Kämen die abgesetzten regimekritischen Richter ohne Einschränkungen wieder an die Macht, könnten sie diese Amnestie kassieren und Zardari wegen etlicher mutmaßlicher Vergehen anklagen, unter anderem wegen Mordes.

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