Der Dalai Lama in Deutschland: Die Fans Seiner Heiligkeit

Die Tibet-Community ist eine der ältesten internationalen Solidaritätsbewegungen. Manche ihrer Aktivisten fanden über den Buddhismus zu Tibet, anderen geht es um Menschenrechte.

Der Dalai Lama ist vor allem ein religöser Führer. Bild: ap

BERLIN taz Fast pausenlos piepen die Computer. "Es hat auch vorher ständig Hackerangriffe auf unsere Rechner gegeben", berichtet Anna Momburg-Vanderpool. Aber seitdem die Proteste in Tibet ausgebrochen sind, hätten die Attacken überhand genommen. "Wir können keine Anhänge mehr öffnen, ohne dass die Rechner anschließend mit Viren oder Trojanern verseucht sind." Dabei sei die Kommunikation derzeit wichtiger denn je. Sie vermutet, dass die chinesische Regierung für die Angriffe verantwortlich ist. Momburg-Vanderpool ist Mitarbeiterin der Tibet Initiative Deutschland (TID).

Nicht erst seit der jüngsten Niederschlagung der tibetischen Proteste gibt es weltweit eine große Gemeinde an Aktivisten, die sich mit der kargen Hochgebirgslandschaft am Fuße des Himalaja beschäftigen. Allein die Tibet Initiative in Deutschland zählte bereits vor der aktuellen Eskalation rund 1.800 Mitglieder und weitere 4.000 Förderer in etwa 50 Regionalgruppen. Inzwischen dürften diese Zahlen weiter gewachsen sein. Damit gehören die Tibet-Aktivisten zu einer der größten kontinuierlich arbeitenden Solidaritätsbewegungen, die sich mit den Problemen eines anderen Landes beschäftigt.

Die aktuellen Proteste gegen die olympische Fackel haben gezeigt, wie gut die Aktivisten auch international vernetzt sind - trotz der Hackerangriffe.

"Natürlich hatten wir die Proteste zum Fackellauf weit im Voraus geplant gehabt", sagt Boris Eichler. Auch aus Deutschland seien Mitglieder der TID zum Fackellauf nach London und Paris gereist, um dort gegen die chinesische Regierung zu protestieren. "San Francisco war dann aber doch zu weit." Während seines Philosophiestudiums beschäftigte sich Eichler mit dem Buddhismus und konvertierte schließlich. "Um die tibetische Kultur kommt man dabei nicht herum", sagt der heute 34-Jährige. Vor zwei Jahren arbeitete er für ein Jahr im Umwelt- und Entwicklungsbüro der tibetischen Exilregierung in Dharamsala. Nun ist er TID-Sprecher und organisiert den aktuellen Dalai-Lama-Besuch. Eichler betont den ausschließlich politischen Charakter der Initiative. Er bestreitet nicht, dass unter den Mitgliedern der TID auch Esoteriker zu finden sind. Doch Vorwürfe, bei der Tibet Initiative handele es sich um einen spirituellen Verein, weist er zurück. Aufgabe der im Jahr 1989 gegründeten Initiative sei es, "auf die verheerenden Folgen der seit 1949 anhaltenden Besetzung Tibets durch China aufmerksam zu machen", sagt Eichler. So wie dem Dalai Lama gehe es auch der TID nicht um die Unabhängigkeit, sondern um mehr Autonomie.

Nicht alle Tibet-Aktivisten sind bei der TID aktiv. Maria Blumencrons Begeisterung für Tibet begann ganz unvermittelt. Vor zehn Jahren war sie beim Zappen im Fernsehen am Bild eines erfrorenen Mädchens hängen geblieben. Die 43-jährige Filmemacherin und Buchautorin fragte sich: Wie kann es sein, dass Eltern ihre Kinder auf einen der gefährlichsten Pässe der Welt schicken? Sie begab sich nach Tibet und machte sich auf die Suche. Zwei Bücher hat sie seitdem über die Situation in Tibet geschrieben. Derzeit reist sie durch Deutschland und stellt auf Lesungen ihr aktuelles Buch "Auf Wiedersehen, Tibet" vor. Darin beschreibt sie die Lebensgeschichte des Flüchtlingshelfers Kelsang Jigme, der über viele Jahre hinweg seinen Landsleuten und darunter auch vielen Kindern bei der mühsamen Überquerung des Himalaja geholfen hat. "Ich bin keine Tibetspezialistin", sagt Blumencron. Sie hätten auch nicht die Berge fasziniert oder die Schönheit der Landschaft. Von den Menschen sei sie beeindruckt gewesen, von der "Herzlichkeit" und "Fröhlichkeit". Seitdem reist sie regelmäßig an die indisch-tibetische Grenze.

Und sie reist nicht allein. Einer ihrer Begleiter ist der Rettungssanitäter Christian Gatniejewski aus Bad Schmiedeberg bei Leipzig. Nach einer ihrer Lesungen sprach er sie an. Als Kletterer und Fotograf stellte er sich vor und bot an, sie auf eine ihrer nächsten Touren zu begleiten. Auf den ersten Blick wirkt er wie einer dieser typischen Trekking-Freaks, die eher von gigantischen Bergmassiven und schneebedeckten Gebirgsketten fasziniert sind und sich deshalb für Tibet interessieren. Im März 2007 stiegen sie gemeinsam von der nepalesischen Seite des Himalaja auf den Grenzpass. Auf 4.600 Meter Höhe trafen sie drei junge Frauen, die aus Heimweh von ihrem Exil zurück nach Tibet wollten. Als sich eine der drei den Fuß verstauchte, behandelte ihn Gatniejewski - und rettete ihr Leben. Auch er setzt sich seitdem für die "Tibetsache" ein.

Das große Interesse in Deutschland an Tibet speist sich nicht allein aus einer Szene. Es gebe durchaus diese Kletterer, die über ihr Interesse am Bergsteigen zum Thema gekommen sind, berichtet TID-Mitarbeiterin Momburg-Vanderpool. Die meisten ihrer Mitstreiter aber hätten einfach ein "gesundes Bewusstsein" für die Einhaltung der Menschenrechte, sagt die Ethnologin. "Es gibt viele Wege, sich dem Thema anzunähern."

So groß der Zulauf auf die Pro-Tibet-Community ist, gibt es auch Kritiker, vor allem von links. Und das sind nicht nur Leute, die in China einen sozialistischen Staat sehen. So spricht der linke Psychologe und Buchautor Colin Goldner, der ein Buch über den Dalai Lama geschrieben hat, von Leuten "vor allem innerhalb der Esoterik- und Psychoszene", die sich für den tibetischen Buddhismus begeisterten. Bei dem weltweit hohen Ansehen des Dalai Lama, der als Symbolfigur für Friedfertigkeit, Güte und Weisheit gefeiert wird, werde oft verkannt, "dass seine freundschaftlichen Kontakte zu alten und neuen Nazis hin zu seinen eklatant frauen- und homosexuellenfeindlichen Positionen völlig ungebrochen" sind.

Neonazis hätten sich aber noch nicht bei der Tibet Initiative engagiert, versichern die Mitarbeiter. Viele Linke hätten aber ein "Problem damit, sich ausgerechnet mit Leuten zu solidarisieren, deren politisches Oberhaupt zugleich ein religiöser Führer ist", glaubt Momburg-Vanderpool.

Die Filmemacherin Blumencron jedenfalls ist rechtsextrem-esoterischem Gedankengut unverdächtig. Nicht einmal dem Buddhismus steht sie nah. "Ich freue mich über die große Begeisterung für den Dalai Lama", sagt sie. "Ich finde es aber bedenklich, völlig zu vergessen, dass wir unsere Kultur und unseren Glauben haben."

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