die wahrheit: Plärrende Pute mit Potenzial

Der Mai ist gekommen, das Peinlichkeitsbarometer schlägt aus.

Der Mai ist gekommen, das Peinlichkeitsbarometer schlägt aus. Früher war der "Eurovision Song Contest" an einem Abend abgehakt, im Zuge der karnickelartigen Ländervermehrung in Europa müssen die Kampfsinger nun durch zwei Halbfinale, bis die 43 Teilnehmer für die Endrunde am Samstag in Belgrad feststehen.

Die Iren treten morgen in der ersten Runde an. Sieben Mal haben sie den Wettbewerb gewonnen, mehr als jede andere Nation, aber seit Jahren bekommen sie kein Bein mehr auf die Erde. Voriges Jahr wurden sie sogar Letzte und müssen sich nun fürs samstägliche Endsingen qualifizieren. Aus Trotz schicken sie einen Truthahn mit schlechten Manieren ins Rennen. Dustin ist keine gewöhnliche Pute. Er kam in den Achtzigerjahren auf einem Bauernhof in der Nähe von Dublin auf die Welt. Schon als Küken merkte er, dass er anders war als die anderen Truthähne. Also trampte er nach Dublin, wurde von Talentsuchern entdeckt und durfte im Kinderfernsehen "The Den" auftreten. Das war 1990. Inzwischen hat Dustin seine eigene Fernsehshow, in der er Politiker, Prominente und Landeier, wie er selbst eins war, beleidigt.

Dustin singt auch. Und wie: Im Laufe seiner Karriere hat er 25 Platinalben eingesackt, mit seinem Co-Sänger Bob Geldof, der ehemaligen Boomtown-Ratte, stand er wochenlang an der Spitze der Charts. Als Dustin sich von Geldof wegen dessen mangelnder Körperhygiene trennte, war der Schock so groß wie bei der Auflösung der Beatles.

Dustin machte auch einen Abstecher in die Politik. Bei einer Nachwahl in Cork erhielt er mehr Stimmen als der ehemalige Präsidentschaftskandidat Austin Currie, der sich von der Niederlage gegen den Truthahn mit dem rotem Schnabel und dem grünem Anorak nie mehr erholte und seine Karriere beendete. Dustin hingegen hat große Pläne: "Eine Stimme für Irland im diesjährigen Wettbewerb ist eine Stimme für ein größeres Europa, und sie wird mich an den mir zustehenden Platz als Europäischer Präsident katapultieren." Besser als Tony Blair, der ebenfalls für den Posten gehandelt wird, wäre Dustin allemal.

Ein anderes Eurovisionssternchen hat es auch in die europäische Politik geschafft: Dana, die 1970 Irlands ersten Sieg im Wettsingen landete, zog später ins Europaparlament ein und vertritt eine katholisch-fundamentalistische Position. Sie mag Dustin nicht, er ist ihr vermutlich zu links. Man solle lieber niemanden nach Belgrad schicken als einen Truthahn, sagte die dumme Pute. Johnny Logan, der den Wettbewerb zwei Mal als Sänger und ein Mal als Komponist gewonnen hat, findet, dass der Sängerwettstreit zu einer Witzveranstaltung verkommen sei. Als ob es sich zu seiner Zeit um eine seriöse Veranstaltung gehandelt hätte. Andere Kritiker sprachen von der Trivialisierung des Wettbewerbs. Was?

Dustin gewann die irische Vorentscheidung mit dem Lied "Irlande Douze Points", aus dem Wunschdenken spricht. Der Truthahn lässt sich in einem Einkaufswagen auf die Bühne schieben, tanzt vor einem Toilettensitz, auf den die Fotos vergangener Gewinner aufgeklebt sind, und furzt mitten im Lied. Dustin ist ein trojanischer Truthahn, der mit seinem kläglichen Lied den Wettbewerb sabotieren will.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.