Ermittlungen im Ehrenmord von Hamburg: Schläge gab es schon vor dem Mord

Die Polizei sucht noch nach dem konkreten Motiv für den Hamburger Ehrenmord. Es wird deutlicher, dass Morsal O. schon länger unter Gewaltattacken ihres Bruders zu leiden hatte.

Der mutmaßliche Täter wird abgeführt. Bild: dpa

HAMBURG taz Morsal O. ahnte nichts Böses, als ihr 23-jähriger Bruder Ahmad O. sie anrief, um nochmals über die Familie zu sprechen. Obwohl O. keinen Hehl daraus machte, dass er den westlichen Lebensstil seiner Schwester verabscheute und sie deswegen bereits verprügelt hatte. Doch bei Schwierigkeiten kehrte die 16-jährige Deutsch- Afghanin immer wieder zu ihrer Familie zurück. Dieses Mal war das ihr Tod.

Sie fuhr am Donnerstagabend bereitwillig zu dem Treffen auf einem Parkplatz am zentralen Hamburger U-Bahnhof Berliner Tor. Dort traf sie Ahmad, der einen Freund mitbrachte, auf einem Parkplatz. Er zauderte nicht lange und stach mit einem Messer mehr als zwölfmal auf das Mädchen ein. Passanten und Anwohner, die an dem belebten Bahnhof die Schmerzensschreie der 16-Jährigen hörten, alarmierten die Polizei und die Feuerwehr. Eine Stunde lang versuchten Notärzte Morsal O. zu reanimieren, doch das Leben des Mädchens war nicht mehr zu retten.

Zur Zeit der Tat lebte Morsal beim Kinder- und Jugendnotdienst in der Hamburger Feuerbergstraße, wo es eine spezielle Wohnunterkunft für Mädchen gibt. Nach Angaben von Polizeisprecher Andreas Schöpflin war Morsal O. im März 2008 schon einmal von ihrem Bruder angegriffen und verletzt worden, was dazu führte, dass sie diese Zuflucht aufsuchte. Dies war nicht der erste Vorfall.

Bereits im Januar 2008 hatte der Bruder das Mädchen laut Schöpflin "geschlagen und getreten". Auch damals habe die Polizei ihr Opferschutz angeboten, den sie aber ablehnte. Als sie wegen dieser Vorfälle vor Gericht aussagen sollte, berief sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht und schwieg.

Trotzdem wurde der 23-jährige Ahmad O. zu einer anderthalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, die er Anfang Mai antreten sollte. Er stellte einen Antrag auf Strafaufschub, der aber abgelehnt wurde, wie er erst am Morgen der Mordtat erfuhr.

Die Polizei tappt bei der Suche nach dem konkreten Motiv für den Mord noch im Dunkeln. Klar ist, dass es sich um einen so genannten Ehrenmord handelt, weil Ahmad O. die Familienehre durch das Verhalten seiner kleinen Schwester beschmutzt gesehen hat. Genaueres mag Polizeisprecher Schöpflin zurzeit jedoch nicht sagen. "So weit sind wir noch nicht", sagt er. "Wir haben ihn nur kurz vernommen, wir ermitteln auch im Umfeld der Familie."

Nach taz-Informationen ziehen die Mordermittler aber auch noch andere Ursachen in Betracht, die zum Gewaltausbruch geführt haben könnten. Ein Auslöser für die Tat von Ahmad O. könnte auch die Nachricht vom Donnerstagmorgen gewesen sein, in der er erfuhr, dass er wegen seiner früheren Angriffe auf seine Schwester doch ins Gefängnis gehen sollte. "Oder er hat es als Affront gesehen, dass seine Schwester zu dem Treff in kurzen Jeansshorts erschienen ist", sagte einer der Ermittler der taz. "Wenn einer den Plan hat, jemanden umzubringen, lässt man sich normalerweise nicht von einem Freund zum Tatort begleiten, um Zeugen zu vermeiden."

Für die Hamburger Familienanwältin und Frauenrechtlerin Mechthild Garweg ist das jedoch nicht zwangsläufig ein Kriterium. Bei solchen Delikten gelte es "die Werte der Familie hochzuhalten und nicht unbedingt unerkannt zu bleiben", sagt Garweg.

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