Stammzellen-Forscher Jürgen Hescheler: "Nur unter strenger Kontrolle"

Der Kölner Forscher Jürgen Hescheler hält die britischen Versuche mit Mensch-Tier-Embryonen für sinnvoll - in Deutschland jedoch für unnötig.

Der geklonte Mensch - Horrorvision oder Chance? Bild: dpa

taz: Herr Hescheler, in England dürfen für die Forschung künftig Embryonen verwendet werden, die aus menschlichem Erbgut und tierischen Eizellen bestehen. Wofür braucht die Wissenschaft solche Zwitterwesen?

Jürgen Hescheler: Zunächst handelt es sich nicht wirklich um Zwitterwesen. Man pflanzt zwar menschliches Erbgut in Eizellen etwa von Kühen ein, doch aus den tierischen Zellen wird der Zellkern und damit der größte Teil des genetischen Materials zuvor entfernt. Sie dienen nur als Vehikel, in denen dann menschliche Stammzellen wachsen. Menschliche Eizellen von Frauen sind dafür zu knapp. Bei Kühen fallen bei Routineuntersuchungen hingegen große Mengen an.

Wofür braucht man die gezüchteten Zellen denn genau?

Man kann auf diese Weise Gewebe schaffen, das genetisch identisch ist mit dem des Patienten. Das wird nicht abgestoßen und kann defekte Gewebe ersetzen, etwa im Herzen.

Hätten Sie diese Möglichkeit auch gern hierzulande?

In Deutschland setzen wir beim therapeutischen Klonen meist auf einen anderen Weg, der in Japan entwickelt wurde: Hier in Köln arbeiten wir daran, erwachsene Zellen so umzuprogrammieren, dass daraus ebenfalls jede Gewebeform gezüchtet werden kann. Welche Technik sich am Ende durchsetzen wird, kann man noch nicht sagen.

Und wie stehen die Chancen, dass die deutsche Politik das erlaubt? Schon um die Nutzung menschlicher Embryozellen gab es ja heftige Debatten.

Es war ein großer Erfolg, dass in Deutschland die Arbeit mit embryonalen Stammzellen erleichtert wurde. Die Debatte war überaus kompliziert. Ich würde sie jetzt nicht mit neuen Forderungen wieder starten und sehe dafür auch keinen Bedarf.

Außerdem ist es in Großbritannien künftig auch erlaubt, "genetisch passende" Geschwisterkinder zu erzeugen. Wozu ist das gut?

Um bei bestimmten Krankheiten passende Spender zu haben. Bei manchen Formen von Leukämie etwa sind genau kompatible Knochenmarkspender nötig, die oft schwer zu finden sind. In solchen Fällen könnten Eltern jetzt ein passendes Kind bekommen. Bei einer künstlichen Befruchtung werden ohnehin mehrere Eizellen befruchtet. An den dabei entstehenden Vor-Embryonen kann man dann bestimmte genetische Merkmale überprüfen und das am besten passende einpflanzen.

Kritiker befürchten, dass diese Verfahren dazu führen, Designer-Babys zu züchten, wo nach anderen Eigenschaften selektiert wird - um etwa besonders intelligente Menschen ohne Haarausfall zu erhalten.

Das muss man schon klar trennen: Die meisten derartigen Eigenschaften sind sehr viel komplizierter und lassen sich nicht durch einfache Gentests überprüfen. Aber es gibt natürlich Missbrauchsgefahr. Deshalb sollten solche Untersuchungen nur bei genau definierten medizinischen Indikationen und unter strenger staatlicher Kontrolle erfolgen dürfen.

Auch in Deutschland?

Wir Deutschen sind da aufgrund der geschichtlichen Erfahrung sicher deutlich zurückhaltender, und das finde ich auch richtig. Aber wir sollten das nicht zum Maßstab für andere machen.

INTERVIEW: MALTE KREUTZFELDT

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