Das Erscheinungsbild verbessern: Stiefkinder des Naturschutzes

Manchmal erkennt man nur an einem vernachlässigten Wanderparkplatz, dass man sich in einer "Vorbildlandschaft" befindet. Die deutschen Naturparks leiden unter Geld- und Personalmangel. Doch Politiker präsentieren sie gern als Vorzeigeprojekte

Wildgänse im Biosphärenreservat "Niedersächsische Elbtalaue" Bild: dpa

Auf der großen Deutschlandkarte, die man von "Europarc Deutschland" zugeschickt bekommt, sieht alles ganz toll aus. Überall grüne, pinkfarbene und rosa Flecken. Sie stehen für sogenannte Großschutzgebiete: 100 Naturparks, 13 Unesco-Biospärenreservate und 14 Nationalparks. Diese Gebiete bedecken rund ein Drittel der Fläche der Bundesrepublik und firmieren seit 2006 unter dem gemeinsamen Label "Nationale Naturlandschaften". Die Botschaft zur Bonner Artenschutzkonferenz soll lauten: Deutschland redet nicht nur, sondern tut etwas für die Biodiversität und gegen den Artenschwund.

Doch die Wirklichkeit, vor allem in den besonders zahlreichen Naturparks, sieht oft anders aus. Manchmal erkennt man nur an einem vernachlässigten Wanderparkplatz mit einem abgeblätterten Hinweisschild oder einer einsamen Bank, dass man sich gerade in einer "Vorbildlandschaft" befindet. "Viele Naturparks werden stiefmütterlich behandelt", sagt Holger Wesemüller, Vorstandsmitglied bei "Europarc Deutschland", einem europaweiten Dachverband großflächiger Natur- und Landschaftsschutzgebiete.

Eigentlich sollen Naturparks, ebenso wie die von der Unesco anerkannten Biosphärenreservate, Modellregionen für ein gedeihliches Zusammenleben von Mensch und Natur in besonders erhaltenswerten Kulturlandschaften sein. Sie sollen einen Beitrag zu einem bundesweiten Biotopverbund leisten, Plattformen zur Vermarktung von Regionalprodukten sein, der Umweltbildung dienen und, in Zeiten des Klimawandels besonders wichtig, Zielpunkte eines ökologisch unbedenklichen sanften Tourismus sein. Zusammen mit den streng international reglementierten Nationalparks bilden sie ein Netz von Rückzugsgebieten in einem dicht besiedelten und hoch industrialisierten Land wie Deutschland.

Doch viele Schutzgebiete, vor allem die in der niedrigsten Schutzkategorie angesiedelten Naturparks, leiden unter unklaren Zuständigkeiten, finanziellen Engpässen und chronischem Personalmangel. Im jüngst veröffentlichten "Ersten Fortschrittsbericht Nationale Naturlandschaften" wird eine zwiespältige Bilanz gezogen. Die Ausstattung der Parks mit Geld und Personal sei "bei weitem nicht ausreichend", heißt es. Am relativ besten geht es demnach den Nationalparks. In Biosphärenreservaten sind mehrheitlich immerhin noch 5 bis 20 Mitarbeiter beschäftigt, in den Naturparks zwischen 5 und 10. In den alten Bundesländern sind Naturparks aber auch keine Seltenheit, die nur mit einer halben oder einer festen Stelle geführt werden. Ralf Forst, beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) für Großschutzgebiete zuständig, fordert für Naturparks eine personelle Mindestaustattung von einem hauptamtlichen Mitarbeiter als ständigem Ansprechpartner.

Unter personeller Auszehrung leiden besonders die hauptamtlichen Rangerdienste. Ihre Aufgabe ist es nicht nur, die Einhaltung der Schutzbestimmungen zu beachten, sondern auch, Kinder und Jugendliche wieder an das Naturerleben heranzuführen. "Nur so kann die Wertschätzung der Natur langfristig verbessert werden", sagt Wesemüller. Zurzeit sind laut "Fortschrittsbericht" noch etwa 500 hauptamtliche Ranger in den deutschen Großschutzgebieten beschäftigt. Immer weniger Personal muss sich um immer größere Flächen kümmern. Betreute ein Ranger im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin 1992 noch 1.000 Hektar Fläche, waren es 2004 schon 8.000 Hektar. Den aktuellen Bedarf an Rangern sieht Wesemüller bei 2.000 Kräften.

Mitarbeiterin in einem Naturwacht-Stützpunkt Bild: dpa

Größtes Hindernis auf dem Weg zu einem effektiveren Management der deutschen Großschutzgebiete ist die föderale Zersplitterung. Für alle Schutzgebiete sind in erster Linie die Länder zuständig. Träger sind dann Landkreise, kommunale Zweckverbände oder die Landesverwaltungen selbst. Die finanzielle Ausstattung schwankt nach Kassenlage und politischem Willen. Wesemüller fordert deshalb eine Grundfinanzierung für national bedeutsame Schutzgebiete durch den Bund, wie sie etwa in Österreich existiere. Der Verband Deutscher Naturparke will mit einer freiwilligen "Qualitätsoffensive" das Erscheinungsbild der Musterlandschaften verbessern. Außerdem gibt es den regelmäßig ausgelobten Wettbewerb der Naturparke, in dem zuletzt 2005 herausragende Leistungen in Kommunikation und Umweltbildung prämiert wurden. Auch die neue Dachmarke "Nationale Naturlandschaften" soll eine länderübergreifende Zusammenarbeit fördern.

Leider ist der politische Wille, die Nationalparks, Biosphärenreservate und Naturparks zu pflegen und weiterzuentwickeln, oft nicht allzu groß. In Hessen hat die Regierung Koch jüngst sogar den Landschaftsschutz für die meisten Naturparks schlicht abgeschafft.

Offiziell werden die Naturparks von den Politikern freilich gerne als Vorzeigeprojekte präsentiert. CSU-Innenminister Joachim Herrmann sagte jüngst im fränkischen Örtchen Burghaslach im Steigerwald: "Wir sind stolz auf unseren Naturpark Steigerwald - und so soll es auch bleiben." Dabei geht es dem Politiker aber wohl nur darum, Schlimmeres und größere Auflagen zu verhindern: einen Nationalpark Steigerwald nämlich, den Naturschützer fordern, um die dort wachsenden uralten Buchenwälder dauerhaft und effektiv zu sichern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.