Parlament soll sich benehmen

LANDTAG Nach dem Twitter-Eklat sieht Niedersachsens Ministerpräsident Wulff die Demokratie wanken. Opposition schießt sich auf Parlamentspräsident Dinkla ein

Regelmäßig stützt die Verwaltung Dinkla mit Spickzetteln

VON MICHAEL QUASTHOFF

Ukrainische Parlamentarier tun es, auch in Südkorea schlagen Abgeordnete schon mal zu, wenn die Debatten hitzig werden. Soweit ist es in Niedersachsen noch nicht. Aber nahe dran, wie es scheint: „Tumult im Landtag“, „keine Sitzung ohne Eklat“, so lauteten die Schlagzeilen, nachdem der Grünen-Abgeordnete Helge Limburg Innenminister Uwe Schünemann (CDU) via Twitter als „unerträglichen Hetzer“ in Sachen Ausländerpolitik bezeichnete hatte.

Landtagspräsident Hermann Dinkla (CDU) hat die Fraktionsvorsitzenden zum Rapport bestellt, und für Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) wankt gar die Demokratie insgesamt. Handlungsbedarf sieht derweil auch die Opposition – vor allem bei Dinkla selbst: Der habe die Debatten nicht im Griff und sich zum „Erfüllungsgehilfen der Regierung“ gemacht.

Tatsache ist: Zum Skandalon wurde das Gezänk um die Twitterei des Grünen, weil CDU-Fraktionschef David McAllister und Ministerpräsident Wulff eine Unterbrechung der Haushaltsdebatte forderten. Dabei machte Schünemann gar nicht den Eindruck, las sei das nötig. So einer wie Limburg, konterte er souverän, könne ihn gar nicht beleidigen. Dass Parlamentspräsident Dinkla dennoch eine Pause verfügte, setze eine sehr weite Interpretation der Geschäftsordnung voraus, findet der Linkspartei-Abgeordnete Hans-Henning Adler (Die Linke).

„Wir haben langsam die Schnauze voll von dem“, brummte ein Sozi – und meinte Dinkla, dessen Vorsitz und Gedächtnis die Landtagsverwaltung regelmäßig mit Spickzetteln stützen muss. Auch in der CDU sagen manche, unter der Leitung seiner Stellvertreter wäre es nicht so weit gekommen.

Erst im November war Dinkla eine Diskussion zum NPD-Verbot entglitten. Hans-Christian Biallas (CDU), ein gefürchteter Verbalbrachialiker, hatte die Linke als mit SED-lern durchsetzt bezeichnet. Eine grobe Unsportlichkeit, die ungeahndet blieb und heftigste Reaktionen auslöste. Heiner Bartling (SPD) bezeichnete die CDU als „Pack“ und „übles Volk“ – und wurde prompt von Dinkla abgemahnt. Über die Pöbelein wunderten sich auch Häftlinge aus Hameln, die auf der Besuchertribüne saßen: In ihrer JVA würde man so ein Benehmen nicht durchgehen lassen.

Noch höher her ging es nach Limburg enttarntem Internet-Auftritt. Biallas geiferte, McAllister bellte, und auch der Rest der CDU-Fraktion gerierte sich, als habe man ihnen die Pensionen gestrichen. Nicht nur Dinkla macht sich nun Sorgen um das Image des Landtages. Wulff fuhr gleich ganz schweres Geschütz auf, mahnte mehr Benimm an – „sonst arbeite man den Feinden der Demokratie in die Hände“. Der alte Parlamentshase Bartling dagegen riet, die Kirche im Dorf zu lassen: Man sei ja „nicht im Mädchenpensionat“. Die Zankereien würden vor allem deshalb zum Medienthema, weil im Landtag immer weniger geistreiche Reden gehalten würden.