Israels Fußballstar Roberto Colautti: Mit Kopf, Herz und Bein

Das neue Zugpferd der israelischen Fußballnationalmannschaft ist ein argentinisches Fohlen. Roberto Colautti feiert auch fernab der Heimat Siege - bei Borussia Mönchengladbach.

Roberto Colautti (rechts) - hier im Trikot von Borussia Mönchengladbach: "Ich spiele mit allem für Israel". Bild: dpa

Die israelische Fußballnationalmannschaft gilt als das Bayer Leverkusen des internationalen Fußballs. Zuletzt immer schön gespielt und dennoch knapp gescheitert. Die Qualifikationsgruppe zur WM 2006 überstand das Team von Trainer Dror Kashtan zwar ungeschlagen, landete am Ende jedoch wegen der schlechteren Tordifferenz hinter der Schweiz und Frankreich. Auch 2007 war die Mannschaft lange Zeit auf dem besten Wege, sich zumindest als Gruppenzweiter für die Europameisterschaft in der Schweiz und Österreich zu qualifizieren. Beim vorentscheidenden Spiel im Londoner Wembleystadion ging man jedoch sang- und klanglos mit 0:3 unter.

Der derzeit vielleicht größte Star des Landes stammt aber ursprünglich aus Argentinien und spielt mittlerweile beim Bundesligaaufsteiger Borussia Mönchengladbach. Roberto Colautti erzielte in neun Länderspielen sechs Tore und zählt damit rein von der Quote her zu den effektivsten Stürmern Asiens. Oder Europas - wie man es nimmt.

Die Laufbahn des israelisch-argentinischen Profis, der auch italienische Wurzeln hat, begann äußerst schleppend bei den Boca Juniors, einem der prominentesten Clubs Südamerikas. Dort startete zur gleichen Zeit auch die Karriere von Carlos Tévez, der auf derselben Position spielte wie Colautti und dem dieser fortan von der Ersatzbank aus beim Toreschießen zugucken durfte. Tévez avancierte schnell zum neuen argentinischen Sturmidol, Reservist Colautti hingegen wurde erst einmal für ein halbes Jahr an den FC Lugano verliehen. Der mittlerweile in Konkurs gegangene Schweizer Provinzclub zählt wahrscheinlich nicht gerade zu den feuchtesten Träumen eines südamerikanischen Fußballgotts.

Es folgte eine Rückkehr Colauttis nach Argentinien mit zwei weiteren kurzen Stationen, ehe er 2004 über seinen Berater nach Israel vermittelt wurde zum dortigen Traditionsclub Maccabi Haifa.

Hier begann der Höhenflug des damals Zweiundzwanzigjährigen. Colautti fing an, Tore zu schießen, wie Klaus Augenthaler Zigaretten raucht, sowohl auf nationaler Ebene als auch im Uefa-Cup. Er wurde Meister mit Maccabi und verliebte sich obendrein in eine Frau. Die jüdische Israelin und der katholische Argentinier heirateten relativ schnell. Natürlich rein standesamtlich und auf Zypern, denn das israelische Eheschließungsgesetz ist ziemlich restriktiv, was interreligiöse Liebeleien angeht. Er erzählt, dass sich auf dem zypriotischen Amt am selben Tag vierzehn weitere nicht ganz koschere israelische Paare zur Hochzeit angemeldet hätten. In der mediterranen Hafenstadt im Norden des Landes erlebte er seine bis dahin schönste Zeit. Auch wenn Haifa damals im Libanonkonflikt ein bevorzugtes Ziel der Hisbollahraketen war. Über Politik und Religion möchte er jedoch nicht reden, er sei schließlich Fußballer. Deshalb ist er auch schnell darauf aus, das Thema zu wechseln, sobald das Gespräch in irgendwie in die Richtung geht.

Wir sitzen im Büro von Borussia Mönchengladbach. Es ist Montagfrüh nach dem Spiel gegen 1860 München, heute wurde nur leicht trainiert, Colautti kommt gerade vom Auslaufen und sitzt entspannt im Stuhl. Dann erzählt er, wie es war, das erste Mal für die neue Nationalmannschaft aufzulaufen. Nach der Hochzeit bekam er nämlich vom Verband das Angebot einer "vorläufigen Staatsangehörigkeit". Was gleichbedeutend war damit, dass er niemals mehr für Argentinien würde spielen dürfen. Er war aber realistisch genug, anzuerkennen, dass die Aussichten auf eine Berufung in die vor Weltstars platzende Gauchoelf sowieso gegen null tendierten. Die Konkurrenz in Argentinien trug Namen wie Messi, Crespo, Saviola oder eben Tévez.

Gleich im ersten Länderspiel gegen Estland schoss er dann das Siegtor für Israel. Es sei zunächst ein seltsames Gefühl gewesen, weil er sich nach wie vor als Argentinier fühle. Aber die Nationalmannschaft bestand sowieso zu einem großen Teil aus Maccabi-Vereinskameraden, von da an sei ihm die Umstellung zumindest mannschaftstechnisch gesehen nicht schwergefallen. Das große Spiel in London gegen England verpasste er jedoch aufgrund einer Verletzung, was ihn verständlicherweise auch im Nachhinein noch ziemlich ärgert. Mit einem Punktgewinn hätte man die Gegner auf Distanz gehalten, so aber lief alles anders. Auch das nachfolgende Spiel gegen Kroatien wurde verloren, und der Traum von der ersten Teilnahme an einem großen Turnier seit 1970 war endgültig geplatzt.

Spätestens zur Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika soll es nun klappen. Israel hat hierfür eine relativ leichte Qualifikationsgruppe erwischt, die Chancen stehen also gut. Man stelle sich vor, die Blauen würden in eine Gruppe mit Argentinien gelost werden. "Klar, das wäre sehr seltsam für mich. Wirklich. Ich würde natürlich auf den Fußballplatz gehen, gewinnen wollen und an mein Team denken. Als Fußballer muss ich so denken, aber natürlich kreuzen sich da auch meine Gefühle. Trotzdem würde ich alles geben. Ich spiele mit dem Kopf, mit dem Herzen und den Beinen. Und natürlich spiele ich dann mit allem für Israel".

Die israelische Nationalmannschaft hat in den letzten Jahren einiges erleiden müssen. Lange Zeit mussten auch die Heimspiele im Ausland ausgetragen werden, weil der Uefa das Sicherheitsrisiko zu hoch war. Aber im holländischen Nijmegen beispielsweise dürfte sich die Mannschaft nur schwer heimisch gefühlt haben. Seit der EM-Qualifikation finden die Länderspiele wieder im eigenen Land statt, nach Vorgaben des europäischen Verbands zunächst ausschließlich in Tel Aviv. In Israel selber gibt es immer wieder mal Probleme mit Ultranationalisten, die in der Nationalmannschaft keine arabischstämmigen Spieler dulden. Für Aufsehen sorgte zuletzt der Fall Abbas Suan. Der Erstligaclub Beitar Jerusalem wollte den arabischen Israeli unter Vertrag nehmen, musste nach massiven Fanprotesten jedoch einlenken und sah schließlich von einem Kauf ab. In der Nationalmannschaft wird Suan regelmäßig ausgepfiffen. Für Colautti resultieren die Probleme jedoch nicht unbedingt aus der Abstammung. "Das stimmt, es gibt immer ein wenig Probleme mit den arabischen Spielern bei den Fans. Aber im Grunde genommen hat das mehr mit der Person als mit der Religion zu tun. Es gibt einfach Spielerpersönlichkeiten, die die Leute nicht mögen. Wenn so ein Spieler dann nur den Ball berührt, pfeifen die Fans sofort. Das finde ich auch nicht gut, aber das gibt es überall, auch hier in Deutschland." In Haifa gab es diese Probleme hingegen selten. So spielt Abbas Suan mittlerweile auch bei Colauttis Exclub Maccabi. In der Hafenstadt leben die arabische und jüdische Bevölkerung eng zusammen, religiöse Hardliner sind hier in der Unterzahl.

Seit dem letztem Sommer spielt Roberto Colautti nun für Borussia Mönchengladbach und trägt die Raute im Herzen, wie es am Niederrhein in Anspielung auf das Vereinslogo des fünfmaligen deutschen Meisters heißt. Auch hier gestaltete sich der Start zunächst schwierig. Coulautti fiel sofort verletzungsbedingt für ein halbes Jahr aus. Sein fulminantes Comeback feierte er dann im April beim 2:2 in Jena. Er kam zur Pause beim Stand von 0:2, schoss zwei Tore und bewahrte den Zweitligaspitzenreiter vor einer Blamage. Mittlerweile ist der Aufstieg in die Bundesliga gesichert, und der Stürmer möchte seinen Teil dazu beitragen, dass Borussia wieder an die goldenen Zeiten von früher anknüpft.

Geschäftsführer Stephan Schippers verriet in einem Interview mit der Welt einmal, dass der Verein sich in einer Vorreiterrolle hinsichtlich einer Kooperation mit Israel sehe. Vor allem in den Siebzigern und Achtzigern unter Manager Helmut Grasshoff gab es regelmäßig Freundschaftsspiele gegen israelische Teams. Der allererste Israeli überhaupt in der Bundesliga hieß Shmuel Rosenthal und spielte 1972 für die ruhmreichen Fohlen, brachte es aber nur auf dreizehn Einsätze und ein Tor. Diese Quote zu toppen sollte Colautti - fern von seiner Heimat - also nicht sonderlich schwerfallen.

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