die wahrheit: Erschreckender Linksruck

Neue Sorgen um die deutsche Fußball-Nationalmannschaft vor der Euro 2008.

Selbst beim Bundestrainer ist die gesellschaftliche Entwicklung angekommen: Plötzlich ist Löw Linksfuß. Bild: ap

Das Team der deutschen Fußballnationalmannschaft sorgt wenige Tage vor Beginn der Europameisterschaft für Irritationen. Wie jetzt bekannt wurde, hat die deutsche Elf ein Testspiel gegen die B-Auswahl aus Kasachstan mit 0:23 verloren. Das Spiel fand am Montag unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Magdeburg statt. Die außergewöhnlich hohe Niederlage führen Experten auf den Linksruck der Gesellschaft zurück, der nun auch auf den deutschen Fußball übergegriffen habe - laut Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap eine Entwicklung, "die abzusehen war". Eine Langzeitbeobachtung des Institutes hatte ergeben, dass das veränderte Profil der Linken "nur ein Anzeichen neben vielen anderen im neuen Deutschland-Trend ist". Das Ergebnis: Auf einer Zehner-Skala hatten sich die Deutschen im Jahr 2001 selbst im Durchschnitt exakt in der Mitte eingeordnet. Heute seien sie "deutlich erkennbar" nach links gerückt.

So stand Jens Lehmann einen halben Meter links von seinem Tor entfernt, die Verteidiger Per Mertesacker und Philipp Lahm sowie Lukas Podolski im linken Mittelfeld seien sogar außerhalb des Spielfeldes angetreten, berichten Augenzeugen. Die Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger und Michael Ballack hätten die Bälle wahllos ins linke Seiten-Aus verteilt. "Und rechts war natürlich überhaupt kein Schwein", erregte sich ein Fan des SV Fortuna Magdeburg, der zufällig im Stadion war. "Da sind die Kasachen einfach durchmarschiert."

Bundestrainer Joachim Löw zeigte Verständnis für seine Spieler: "Sie befürchten, dass der EM-Aufschwung nicht in ihren Taschen ankommt, sondern vor allem den Managern in ihren Vereinen nutzt." Er werte den Linksruck nicht als "persönlichen Affront gegen mich. Alle Spieler wissen, dass ich festes Vertrauen zu ihnen habe. Wir haben eben eine Mannschaft, die nicht so gewachsen und gereift ist, wir haben viele junge Spieler, da flackert manchmal ein gewisses Protestpotenzial auf." Löw ergänzte, er sei "relativ gelassen, was die EM betrifft", und setze darauf, dass "sich alle wieder einkriegen, sobald wir deutschen Boden verlassen".

Aus Spielerkreisen sind allerdings Besorgnis erregende Töne zu hören. "Das war keine Demo oder so", sagte Kevin Kuranyi, "ich hab halt das gemacht, was der Jogi gesagt hat. ,Durch die Mannschaft muss ein Ruck gehen', hat er gesagt." Auch Lukas Podolski wollte nach eigenen Angaben "nix Politisches machen". "Gegen Zypern fanden mich alle toll, weil ich so weit links gespielt hab. Und da hab ich gedacht, wenn Deutschland insgesamt nach links rückt, dann kann ich das noch besser, von wegen Vorbild und so." Jens Lehmann sagte, die Position außerhalb des Tores sei für ihn "eine völlig neue Erfahrung" gewesen. "Heute kann mir keiner vorwerfen, ich sei zu früh rausgegangen oder hätte die falsche Ecke gewählt. Ich konnte mich ganz darauf konzentrieren, Ruhe auszustrahlen."

Der Münchner Sozialwissenschaftler Franz Bauerbecken erklärte, diese Form des Linksrucks sei ein Zeichen dafür, dass "die Angst von den Rändern der Mannschaft zur Mitte gewandert ist". Auch bei Fußball-Profis handele es sich um "berufliche und soziale Aufsteiger, die nach den Mühen der Vergangenheit nun mit der Ungewissheit der Gegenwart und der Fragwürdigkeit der Zukunft konfrontiert sind".

Teammanager Oliver Bierhoff und DFB-Sportdirektor Matthias Sammer haben unabhängig von den Testspielen gegen Weißrussland und Serbien "durchgreifende Maßnahmen" angekündigt, falls die Mannschaft bei der EM nach links neige. "Sonst machen uns die Kroaten platt, von den Polen gar nicht zu reden." Daher könne man sich den Forderungen Guido Westerwelles nur anschließen, der verstärkt "die vergessene Mitte" fördern wolle, um "für Leistungsträger wieder attraktiv" zu werden.

Als Erstes werde das anstrengende Lauftraining an Gummibändern extrem intensiviert, um die Spieler "an das Gefühl zu gewöhnen, am Linksruck gehindert zu werden", sagte Sammer.

"Jeder Spieler steht jetzt unter besonderer Beobachtung", ergänzte Bierhoff. "Wer nicht schleunigst in die Mitte der Mannschaft zurückkehrt, hat in der Nationalelf nichts verloren." Die strengen Regeln der Fifa erlaubten allerdings nicht, den EM-Kader noch einmal zu verändern. Daher müsse man rasch "unkonventionelle Wege" gehen. Bierhoff denke an spontane steuerliche Entlastungen des Mittelfeldes sowie die Einführung eines branchenspezifischen Mindest-Löw. "Ich stelle mir da ein Bonussystem für Ballkontakte, gewonnene Zweikämpfe und Mindest-Einsatzzeiten vor." Und damit würden die Deutschen "mal wieder ganz Europa demonstrieren, dass sich Leistung lohnt".

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.