Radioaktive Lauge in Bergwerk entdeckt: Cäsium strahlt im Endlager Asse
In der Atommüll-Grube in Asse ist hochradioaktives Cäsium-137 nachgewiesen worden, deren Quelle unklar ist. Kritiker bekräftigen ihre Warnung vor der geplanten Flutung des Endlagers.
GÖTTINGEN taz Durch das Atommüllendlager Asse im niedersächsischen Landkreis Wolfenbüttel suppt radioaktiv belastete Lauge. Nach Angaben des Betreibers ist in 750 Meter Tiefe das Isotop Cäsium-137 in der Flüssigkeit nachgewiesen worden, die seit Jahrzehnten aus unbekannter Quelle in das Bergwerk sickert. Cäsium-137 kommt in der Natur nicht vor.
Die "Aktivitätskonzentration" des Cäsiums liege allerdings "im Bereich der Umweltradioaktivität", heißt es in einer E-Mail, die der taz vorliegt und die Bergwerks-Leiter Günther Kappei an die Asse-Begleitgruppe vom Kreis Wolfenbüttel geschickt hat. Atomkraftgegner beruhigt diese angeblich geringe Cäsium-Konzentration jedoch nicht.
Immerhin handele es sich um einen Stoff, "der zweifelsfrei der technischen Kernspaltung zuzuordnen ist", sagt Udo Dettmann vom Asse-II-Koordinationskreis, dem Zusammenschluss der örtlichen Atomgegner. Entweder seien bereits Atommüllfässer korrodiert. "Oder", so Dettmann, "das zufließende Wasser wurde durch radioaktiven Fall-out an der Erdoberfläche belastet." Doch die zweite Variante sei eher "unwahrscheinlich". Dafür kämen die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl oder die Atomwaffentests der 50er- und 60er-Jahre in Betracht.
In Kammern auf der 750-Meter-Sohle liegt ein großer Teil der insgesamt etwa 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll, die nach 1967 in das frühere Salzbergwerk gekippt wurden. Einem Bericht des Betreibers - des Helmholtz-Zentrums München (vormals GSF) - von Ende Februar zufolge werden in 750 Meter Tiefe täglich etwa 220 Liter Lauge aufgefangen und abgeleitet. Insgesamt laufen jeden Tag rund 12 Kubikmeter in die Schächte und Stollen. Bislang wurden die Sickerstellen allerdings in höheren Bereichen geortet, wo sich kein strahlender Müll befindet.
Angesichts der neuen Entwicklung bekräftigen die Asse-Kritiker ihre Warnung vor der geplanten Flutung des Endlagers. "Das Einbringen von noch mehr Flüssigkeit mobilisiert ja gerade die radioaktiven Stoffe, statt sie zu binden", sagt Udo Dettmann. Das sei "Irrsinn" und hieße, "den GAU der Endlagerung zum Super-GAU zu machen". Das Helmholtz-Zentrum will eine als "Schutzfluid" bezeichnete Magnesium-Chlorid-Lösung in das Bergwerk leiten und es danach dauerhaft verschließen. Die höchste Umweltbelastung würde erst rund 23.000 Jahre nach der Flutung erreicht, und zwar innerhalb der heute gültigen Grenzwerte, so das Zentrum. Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), der über den Antrag zu entscheiden hat, bezeichnete die Betreiber-Angaben am Dienstag aber als "unvollständig".
Das Bundesamt für Strahlenschutz hat berechnet, dass bereits 150 bis 750 Jahre nach der Flutung radioaktive Gase in so hohen Dosen entweichen, dass die Höchstwerte um bis zu 400 Prozent überschritten werden. Da wusste es von Cäsium-Funden noch nichts. REIMAR PAUL
Leser*innenkommentare
Edelweiß
Gast
Jetzt kommt es, wie es kommen musste.
Das so sichere Endlager ist einsturzgefährdet, säuft ab und Radioaktivität tritt aus.
Das wird dazu führen, das die Region um das Endlager Asse unbewohnbar wird. Mal sehen wer dann die Kosten für die Evakuierung und Umsiedlung der Bevölkerung tragen muss.
Axel Jusek
Gast
Super. Also damit dürfte jetzt wohl klar sein, dass wenigstens eines der Fässer nicht mehr ganz dicht ist. Womit sich die zeitliche Schätzung des Bundesamtes für Strahlenschutz wohl erledigt hat bzw. von 150 Jahre auf 150 Tage reduziert werden muss.
Gibt es Erkenntnisse wieviel davon schon im Grundwasser ist? Schließlich wird WF und Umgebung mit einer Mischung aus Grundwasser und Talsperrenwasser versorgt. Viele Landwirte betreiben Brunnen, um ihr Milch- und Schlachtvieh zuversorgen. Da dürften sich die radioaktiven Substanzen sehr stark anreichern.