Erneute Panne: Risiko zentraler Schulprüfungen

Nach dem Abiturchaos in Nordrhein-Westfalen zeigt eine Panne in Berlin, wie anfällig Zentralarbeiten tatsächlich sind.

Alles für die Katz? Abiturienten Bild: dpa

BERLIN taz Als sich am Mittwoch Punkt zehn in Berlin 28.000 Zehntklässler an die wichtigste Matheprüfung ihres Schuljahres machten, zeichnete sich schon ab, dass alles für die Katz sein würde. Allerdings nur in der Schulverwaltung: Die Beamten dort hatten fünf Minuten vor zehn von einer Schülerin erfahren, der Matheaufgaben für den Mittleren Schulabschluss vorab angeboten worden waren. Der Verdacht erhärtete sich, und am Nachmittag war klar: Am 23. Juni wird die Prüfung wiederholt.

Der Berliner Fall ist nicht die einzige Panne, die sich in jüngster Zeit bei einer zentralen Prüfung ereignet hat. Niedersächsische Abiturienten erwischte es 2006: Kurz vor der Prüfung fiel den Schulbeamten auf, dass in einer Aufgabe Plus und Minus verwechselt worden waren. Die per Mail verschickte Korrektur erreichte nicht mehr alle Schulen rechtzeitig.

In Nordrhein-Westfalen können Abiturienten auf Wunsch nächste Woche ihre Matheklausur wiederholen. Die Prüfer im bevölkerungsreichsten Bundesland hatten eine Textaufgabe gestellt, die ein Bonner Mathematikprofessor hinterher als praktisch unlösbar bewertete. Zudem gab es eine Geometriefrage, die inzwischen "Oktaeder des Grauens" genannt wird.

Zentrale Prüfungen sind in vielen Bundesländern noch jung. Schulpolitiker führten sie ein - auch als Konsequenz aus den schlechten Ergebnissen bei der Pisa-Vergleichsstudie. Landesweit identische Klausuren für den Mittleren Schulabschluss wurden in Berlin zum ersten Mal 2006 geschrieben, in NRW nehmen seit 2007 alle Schulen am Zentralabitur teil.

Trotz der angepriesenen Vorteile von Gerechtigkeit und Vergleichbarkeit - die Zentralisierung birgt ein höheres Risiko: Pannen sind gleich landesweite Pannen. "Was an einer Schule nicht auffällt, kommt bei zentralen Prüfungen ans Licht, weil es gleich ein Massenphänomen ist", sagte Ernst Rösner, Erziehungswissenschaftler vom Dortmunder Institut für Schulentwicklung, der taz.

In Nordrhein-Westfalen sind die Schüler sauer, vor allem jene, die schon ihren Urlaub geplant hatten. Das Abichaos im Hinterkopf, wurde am Donnerstag auch die Frage aufgeworfen, ob bei den Zehnteklasseprüfungen nicht aus Versehen geschusselt wurde: In Deutsch hätten die Gymnasiasten Aufgaben bekommen, die für Realschüler gedacht waren, schrieb die Westdeutsche Zeitung. Das Schulministerium in Düsseldorf dementiert.

In Berlin sagt Max Wolter, Schülersprecher vom Berliner Otto-Nagel-Gymnasium: "Wir ärgern uns. Es muss unbedingt herausgefunden werden, woher die Aufgaben stammen." Dass die Aufgaben an mehr als einer Schule bekannt waren, merkten die Lehrer im Laufe der Prüfungen: Ein Schüler hatte die Klausur schon auf dem Spickzettel notiert. Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) sagte am Donnerstag: "Wenn sich schon so viele haben erwischen lassen, dann werden es noch viel mehr sein, die die Aufgaben hatten." Aus Gerechtigkeitsgründen müssten alle die Prüfung wiederholen.

"Die Zentralarbeiten sind risikobehaftet", sagte der Erziehungswissenschaftler Rösner. Die ganze Angelegenheit sei auch informationstechnisch anfällig. Habe ein Schüler einmal eine Aufgabe vorher, könne sie sich in Windeseile via Mail und Internet verbreiten. "Eine undichte Stelle reicht aus."

Rösner findet an Zentralarbeiten positiv, dass eine Schule etwas über ihren Standard erfährt und ihn vergleichen kann. Dafür müssten sie allerdings nicht gleich in die Benotung eingehen.

Solche Vergleichsarbeiten hätten noch einen Vorteil: Bei Pannen müsste nicht unbedingt nachgeschrieben werden.

JULIA WALKER, GEORG LÖWISCH

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