Zweites Klimapaket der Bundesregierung: Mehr Maut, Netzausbau, Bau-Effizienz

Das Klimaschutzprogramm der Regierung hat ein Volumen von 313 Milliarden Euro binnen zwölf Jahren. Die Verbraucher würden viel sparen. Was bringen die Vorhaben?

Auch der Verkehrssektor soll nun seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten Bild: dpa

Der Verkehrssektor ist in Deutschland für mehr Kohlendioxidausstoß verantwortlich als die Industrie. Doch anders als die Industrie musste er bislang keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das soll sich nun ändern:

Das Bundeskabinett beschloss neue Mautgebühren. Demnach zahlen die saubersten Lkws (Schadstoffklasse Euro 5) ab 12 Tonnen ab 1. Januar fast so viel wie derzeit die dreckigsten: 14 Cent je Kilometer bei drei Achsen, 15,4 Cent je Kilometer bei 4 Achsen. "Wir haben die Spreizung vergrößert", erläuterte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Lkws der schlechtesten Schadstoffklassen (Euro 0 bis Euro 2) müssen fast doppelt so viel zahlen: die Vierachser 28,7 Cent je Kilometer. Damit, so die Idee der Klimakoalitionäre, soll eine schnelle Erneuerung der Lkw-Flotte erreicht werden: hin zu einem verbrauchsärmeren Fuhrpark.

Auf lange Sicht bringe das 850 Millionen Euro in die Staatskasse, sagte Tiefensee. Geld für den Schienen- und Straßenbau. Entlastet werden die Spediteure auch: um 600 Millionen Euro. Dafür wird die Kfz-Steuer für Lkws auf europäisches Mindestniveau geschraubt.

Keine Einigung erzielten die Koalitionäre über die Kennzeichnungspflicht für Neuwagen. Ursprünglich sollte beim Autokauf jeder erkennen können, welches Modell ein Stinker ist und welches nicht. Offizielle Sprachregelung nun: Man warte auf die Brüsseler EU-Vorschläge im Herbst.

Auch bei der Umstellung der Kfz-Steuer gab es keine Einigung: Sie soll von Hubraum auf CO2-Ausstoß umgestellt werden. "Wir müssen möglichst nach der Sommerpause eine Lösung vorlegen, weil Industrie und Verbraucher Klarheit brauchen", sagte Verkehrsminister Tiefensee. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel dagegen erklärte, die Umstellung der Steuer mache nur 0,5 Prozent des CO2-Reduktionsziels von insgesamt 35 Prozent aus. Demnach sei die Lenkungswirkung der steigenden Spritpreise wesentlich bedeutsamer als die einer umgestellten Kfz-Steuer, so der Minister. Davon, dass er etwa Sprit mit einer neuen Stufe der Ökosteuer teurer machen möchte, um besser lenken zu können, sagte der Bundesumweltminister aber nichts.

Gar nicht erst angegangen wurde der Luftverkehr: Hier soll es Brüssel richten. Und das deutsche Rasen bleibt geheiligt: Ein Tempolimit ist kein Thema.

Der Ausbau der Stromnetze soll mit dem "Energieleitungsausbaugesetz" vorangetrieben werden. So soll etwa Ökostrom, der von Windrädern auf hoher See produziert wird, in die Verbrauchszentren des Westens und Südens Deutschlands gespeist werden.

"Ein paar Probleme" räumte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) bei diesem Thema ein: Diese beträfen vor allem das Geld: "Es ging nie um Rechthabereien", erklärte Glos, sondern um den "Geldbeutel der Leute" - die schließlich den Netzausbau finanzieren müssten. "Freileitungen sind billiger, aber wir müssen akzeptieren, dass es dagegen Vorbehalte in der Bevölkerung gibt", so der Wirtschaftsminister. Von den 1.500 Kilometern geplanter Neutrassen sollen deshalb 500 Kilometer unterirdisch verlegt werden. In vier Pilotprojekten wird nun keine neue Überlandleitung etwa den Thüringer Wald überqueren.

Um einen schnelleren Netzausbau hinzubekommen, wurden im "Energieleitungsausbaugesetz" allerdings die Mitbestimmungsrechte Betroffener eingeschränkt. "Ich hoffe auf die Umweltverbände, dass sie dem notwendigen Netzausbau zustimmen", so der Minister. Man könne schließlich nicht gleichzeitig gegen Großkraftwerke und den für Dezentralität notwendigen Netzausbau sein.

Keine Einigung gab es dagegen beim Abbau von Hemmnissen für diese Dezentralität. Beispielsweise beim Zusammenschluss von vielen kleinen Energieerzeugeranlagen zu einem "virtuellen Großkraftwerk". In diesem würde ein Blockheizkraftwerk im Keller mit der Solaranlage oder dem Biomassekraftwerk gekoppelt. Bauminister Tiefensee zeigte sich überzeugt davon, dass die "dezentrale Energieversorgung die Zukunftsantwort ist". Bislang jedoch sei diese nötige Antwort aber noch nicht gegeben. Denn nach wie vor gelte in sehr vielen Kommunen ein sogenannter Anschlusszwang. Daher komme die Blockheiztechnik nicht vom Fleck.

"Dieser Zwang ist sinnvoll", erläuterte Umweltminister Sigmar Gabriel: Schließlich sei seinerzeit erwünscht gewesen, dass die Kommunen die Energieversorgung von Kohle auf Gas umstellten. "Nur mit dem Zwang bekamen sie die Sicherheit, dass die Investition refinanzierbar wird." Weil aber Dezentralität notwendig sei, soll es jetzt Pilotprojekte geben. Tiefensee: "Das Thema steht im Herbst auf unserer Agenda."

Ein großer Teil der vom Kabinett beschlossenen Regeln betrifft den Bereich Wohnen, in dem 40 Prozent der privaten Energie verbraucht werden.Strengere Regeln gelten vom nächsten Jahr an für alle, die ein neues Haus bauen wollen. Der zulässige Energieverbrauch pro Quadratmeter wird um 30 Prozent verringert. Lange umstritten war, ob das auch für Altbauten gilt. Hier gibt es den Kompromiss, dass sie die strengeren Standards nach einer "grundlegenden Sanierung" erfüllen müssen. Das bedeutet laut Umweltministerium, dass neben dem Austausch der Heizungsanlage mindestens zwei weitere Maßnahmen wie neue Fenster, Dachausbau oder Fassadensanierung durchgeführt werden.

Durchgesetzt werden die Neuregelungen auf zweierlei Weise: Zum einen müssen Bauunternehmen künftig garantieren, dass sie die vorgeschriebenen Effizienzwerte einhalten. Bei Verstößen sind sie gegenüber dem Bauherrn regresspflichtig. Zudem sollen Schornsteinfeger neue Aufgaben bekommen: Neben der Überprüfung der Heizungsanlagen sollen sie künftig auch Umbauten feststellen und die Einhaltung der neuen Standards überprüfen. Melden sie Verstöße an die Bauämter, drohen Bußgelder bis 50.000 Euro. Bei Mietshäusern gibt es zudem die Pflicht, ältere Heizungsanlagen auszutauschen. Auf Druck des Wirtschaftsministeriums wurden Ein- und Zweifamilienhäuser davon allerdings ausgenommen. Ebenfalls gestrichen wurde das geplante Verbot von ineffizienten Stromheizungen.

Keine Einigung gab es für das geplante Recht der Mieter, ihre Miete um bis zu 12 Prozent zu kürzen, wenn die Wohnung mangels Dämmung oder wegen veralteter Heizanlagen zu viel Energie verbraucht. In den Herbst verschoben wurden auch eine Neuregelung, nach der die Einsparungen durch neue Heizungen zwischen Mietern und Vermietern aufgeteilt werden sollten. "Intelligente Stromzähler", mit denen etwa zum Waschen oder Trocknen billigerer Nachtstrom genutzt werden kann, werden zunächst nur auf freiwilliger Basis eingeführt.

Für Mieter in Altbauten gibt es darum zunächst nur eine praktische Veränderung: Die Heizkosten werden künftig anders berechnet. Während sie bisher nur zur Hälfte vom eigenen Verbrauch abhängen, sollen dies in Zukunft 70 Prozent sein, sodass sich Sparsamkeit bei Heizen oder Warmwasserverbrauch eher lohnt.

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